Ein Film zum Vergessen. – Bleiben wir also noch bei 'Luna Papa' und 'Beresina'; das sind immerhin Filme, wenn nicht gute Filme, und wir machen Bekanntschaft mit den unverbrauchten Gesichtern der 22jährigen; ihnen glauben wir auch das Unwahrscheinliche – am liebsten grade das.
In 'Ein Freund zum Verlieben' stehen Tränen in Mutter Madonnas kalten Augen, ihr Real- und Filmfreund Rupert Everett nimmt mit psychotischer Energie sein Recht als Vater wahr, und wir glauben nichts von dem, was die Stars treiben. 'Ein Freund zum Verlieben' ist kein Film. Gewiss, auf der Leinwand bewegt sich was, aber das gehört auf die Bühne eines der Broadway-Boulevard-Theater, meinetwegen ein well-made-play, also unerträglich. Es geht um dreierlei: 1. um Konversation inkl. Pausen für den Zwischenbeifall, 2. um das Fotografieren und Posieren von Mutter und Vater, wozu schöne Motive und raffinierte Beleuchtung gehören: viel Licht von hinten auf Madonnas Kopf, das Gesicht liegt meist im Schatten, und 3. um die Musiktitel, allen voran Madonnas 'American Pie'. Aber ergibt die Summe von 1.+2.+3. einen Film?
John Schlesingers Alterswerk propagiert die family values. Um zu beweisen, daß sie allgemeingültig sind, braucht der Film einen ganzen Theaterakt, nämlich den Gerichtssaal mit dem immer gleichen EinspruchEuerEhren; nach 98 Minuten wissen wir es, weil wir Zeit zum Mitschreiben hatten, dass auch der schwule Vater das Sorgerecht für seinen Sohn (6) bekommen kann. Trotzdem kriegt er das Kind nicht. Wollen Sie wissen, warum? Wegen Schlesinger. Denn um zu zeigen, wie schwul Madonnas Freund ist, fiel ihm nichts anderes ein, als zu zeigen, wie der raucht, die Zigarette qualmt und qualmt in Großaufnahme. Die family values mögen für Schwule gelten, gewiss aber nicht für Raucher.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 08/2000