Die russische reine Törin Panova wird in Zürich – was dachten denn Sie? – als Domina in einem SM-Studio eingesetzt. Zuhälter sind Prominente aus der Wirtschaft: Rechtsanwalt Dr. Waldvogel (Ulrich Noethen) und seine Frau (Geraldine Chaplin in ihrer unangenehmsten Rolle). Wir lernen die Führungskräfte der Schweiz ausnahmslos als geübte Masochisten kennen, die sich vor der jungen Russin am Boden krümmen und ihr die schwarzen Stiefeletten lecken; auch muss dem einen schon wieder eine Körperschlinge im Nacken nachgebunden werden. Die sexuellen Obsessionen sind in diesem schönen Film von derselben Selbstverständlichkeit wie die Geldwäsche. Die alten Herren sind undämonisch, korrupt und krank; immer wieder schwärmt Joachim Tomaschewsky, der Altbundesrat, von der geglückten Arterienoperation, bis zur Erleichterung des Zuschauers der nächste Infarkt dann doch noch glückt. Regisseur Schmid ('Thut alles im Finstern, Eurem Herrn das Licht zu ersparen') wendet sich den Herren, die auch Kunden sind, mit viel Verständnis und Liebe zu. Der legendäre Kameramann Renato Berta ('On connaît la chanson') nimmt sie schön ausgeleuchtet und völlig unsatirisch auf, und die Kino-Besucher übernehmen die rosafarbene Perspektive der Ausländerin-ohne-Arg, der die Schweiz das gelobte Land und die Staatsbürgerschaft die Verheißung ist. Wir liegen dieser Heiligen zu Füßen, lecken und sind arglistig, denn den versprochenen Schweizer Pass kriegt sie niemals.
Und doch wird die Hl. Moskauerin gekrönt werden, in einer majestätischen Totalen, in der sich die Queen von England nicht wiedererkennen würde, ein erhabenes Spektakel, eine Apotheose des Göttlichen, die Königin der Schweiz, eine Russin. – Immer noch erzählt der Film seine Geschichte, keine Albernheit. Aber eine Freude war es schon, wie die biederen Schweizer Pensionäre der SM-Monarchin den Weg freischossen. Stammfreier-Divisionär Benrath hatte seinen Umsturzplan (den Beresina-Alarm) im Etablissement leider vergessen. Und eigentlich war es den alten Kommunistenfressern drum gegangen, dass keiner die helvetischen Obsessionen stört, schon gar nicht eine Frau, und erst recht nicht eine aus Russland.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 08/1999