Darren Aronofsky ist ein Chronist des Untergangs. Und der (verborgenen) Süchte. Die Sucht wissen zu müssen, was die Welt zusammenhält oder ins Chaos stürzen wird, treibt den Mathematiker aus „PI' in die Paranoia, jene nach Glück, ein wenig Anerkennung und Unabhängigkeit mündet für die Protagonisten aus „Requiem for a Dream' in Abhängigkeit und Wahnsinn, dem unumkehrbaren Endpunkt. Der ist für jede Figur in Aronofskys Werk bereits mit der ersten Einstellung besiegelt, und der Weg dorthin ist ein dunkles Inferno aus Jump Cuts, Reißschwenks, Split Screens, ungewöhnlichen Kadrierungen, präzisem Musik- und Toneinsatz und dergleichen mehr – die Frage nach der verheerenden Wirkung sozialer Gewalt ist auch eine nach dem Einsatz der technischen Mittel. Der gesamte Apparat ist darauf ausgerichtet, das destruktive Potential der Selbstbehauptung in einer durch und durch abweisenden Welt zu beleuchten.
Das gilt auch für Randy the Ram, den einstmals in den 1980er Jahren begeistert gefeierten Starwrestler, von dessen Ruhm nur noch die Zeitungsmeldungen im Vorspann künden. Der Film setzt 20 Jahre später ein mit der Rückansicht auf Randy, der sich, hustend und körperlich schwer gezeichnet, in der Umkleidekabine einer Schulsporthalle von den gerade erduldeten Strapazen erholt. In dieser ersten Einstellung scheint bereits Aronofskys Abkehr von seinen stilistischen Manierismen durch: Das Schlachtfeld Leben wird nun vornehmlich auf den Körper selbst fokussiert, die einst exponierten inszenatorischen Mittel haben sich ihm unterzuordnen. Stattdessen wird das erwartete Bilderstakkato von der im Vergleich fast gediegen erscheinenden Handkamera Maryse Albertis ersetzt. Trotzdem ist bereits frühzeitig klar: Dies hier ist kein Pendant zur verspäteten Aufsteigergeschichte eines Rocky Balboa, der Sog in den Abgrund hat längst eingesetzt. Das zeigt sich nicht nur in Randys hilflosen Versuchen, seinem Leben, wenn auch verspätet, Halt zu verschaffen, nachdem er mit knapper Not backstage einen Herzinfarkt überlebt, der ihn für immer aus dem Ring zwingt: Der (seit Jahren vernachlässigte) wiederbelebte Kontakt zu seiner Tochter scheitert ebenso wie die Annäherungsversuche zur Stripperin Cassidy. Dass es soweit kommen konnte, ist Folge des Mythos einer Zeichenwelt, die Ruhm verspricht, aber mit ihm das Fundament der identitären Selbstbesinnung absorbiert: Randy ist Relikt einer vergangenen Epoche, und hieraus resultiert auch die Tragik der Story: nämlich seinem Unvermögen, diesen Status als Relikt weniger zu akzeptieren als überhaupt zu begreifen und damit, dass das, was er als Zeichen verkörpert, nur noch von einem kleinen Kreis Eingeweihter (oder Unbedarfter: Die ansässigen Kinder im Trailerpark bekommen gar nicht genug von The Ram) erschlossen werden kann. In manchen Momenten ist dies noch tragisch-komisch, etwa wenn Randy einen Nachbarsjungen durch ein pixeliges 8-Bit-Nintendospiel beeindrucken will, in dem er selbst eine Spielfigur ist, stattdessen aber schwärmerisch in die Finessen von „Call of Duty' unterwiesen wird. In den meisten Fällen ist es bitter: Die schlecht besuchten Autogrammstunden scheinen einzig eine Ansammlung geschundener und längst vergessener Imagekörper zu sein.
Den ekstatischen Körper sehen wir bei den seltenen Ringkämpfen. Dann ist die Kamera nah dran und der Schnitt folgt der Dynamik der früheren Werke. Das Gesicht bleibt aber oftmals ausgespart – den Fixpunkt bildet die maschinelle Funktion des Körpers Publikumsreaktionen zu erzeugen. Außerhalb des Seilgevierts folgt seine Manipulation: der Besuch beim Friseur, im Solarium, im Gym, der Konsum von Steroiden. Es folgt aber ebenfalls der Eintritt in eine Welt, in der der Körper seine Zeichenhaftigkeit verloren hat: Hinter der Fleischtheke, wo er wochentags zu arbeiten gezwungen ist, um die Miete für den Wohnwagen aufzutreiben, verblassen Randys Performerqualitäten: Die Kunden reagieren mit Irritation. Erst nachdem ihn ein Fan belustigt identifiziert, verschreibt er sich vollkommen der Welt im Ring, um daran zu scheitern.
Dies ist die Bruchstelle, zwischen der Randys In-Ring-Character und seine Identität verwischen und die abweisende Welt zum Vorschein kommt: Es ist nicht die Ruhmsucht, die Randy vor das Publikum treibt, sondern eine Einsamkeit, die durch die Kunstfigur erst geboren wurde und nur durch die Rückkehr in den Ring wieder behoben werden kann. Sie trat dann ein, als die Simulation ein Leben außerhalb ihrer selbst nicht mehr gewährte, als der Ruhm zum manifesten Fetisch wurde. Im Prinzip stellt Randy gleich zwei Simulationen dar: Hinter der Identität außerhalb des Rings lauert die Einsamkeit, auf den Performer wartet nur noch der Tod. Dass Mickey Rourkes zu Recht Oscar-prämierte Rolle einige Stationen dessen eigener Karriere reflektiert, mag richtig sein. Diese Sicht unterschlägt aber eine weitere Karriere eines tragisch gescheiterten Akteurs, dem das Sujet wohl den Großteil seiner Inspiration verdankt (und dabei wird mir wohl jeder, der Barry W. Blausteins Dokumentarfilm „Beyond the Mat' gesehen hat, beipflichten): Jake »the Snake« Roberts, dem 'echten' Randy the Ram.