Es ist nicht so einfach mit Serradors hierzulande seit 1984 durch eine Indizierung von der Öffentlichkeit ausgeschlossenem Terrorfilm: Die im Booklet angeführten Antragsbegründungen sind zu irrwitzig, als dass man den Verantwortlichen auch nur einen Hauch Medienkompetenz zusprechen möchte. Denn die Geschichte um das junge Ehepaar Tom und Evelyn, die auf der spanischen Insel Almanzora eigentlich nur einen ruhigen Urlaub verbringen möchten, dort aber mit einer ganz und gar irdischen Gefahr konfrontiert werden, nämlich einer fröhlich lächelnden Schar von Kindern, ist weder exploitativ, noch entschuldigt sie Gewalt gegen Kinder, wie man in besagtem Antrag besorgt konstatierte. Ob er allerdings die Frage 'Wer kann ein Kind töten?', so der Originaltitel, seinem inszenatorischen Programm gemäß befriedigend löst, ist zweifelhaft. Dessen Implikationen berücksichtigend sollte er wohl eher lauten 'Wer tötet Kinder unter welchen Umständen?', aber das klänge in der Tat etwas zu thesenhaft.
Sicher jedenfalls ist, dass das im Horrorfilm nach wie vor außergewöhnliche Setting und so manche ebenso außergewöhnliche Szene darauf fokussieren, im Zuschauer einen Reflexionsprozess auszulösen. Das beginnt mit der durchaus auf Provokation getimeten Exposition, in der schwarzweiße Archivbilder getötete und verletzte Kinder aus verschiedenen realen Kriegen präsentieren. Jeder Schnitt auf das nächste Ereignis wird dabei von Kindergesängen begleitet, die stets in einem kollektiven, unschuldigen Lachen münden. Erwachsene tun Kindern schreckliche Dinge an. Es setzt sich fort in der auch genreuntypischen Diskrepanz zwischen mediterraner Idylle, die fast ausnahmslos sonnendurchflutet bleibt und kindlicher Unschuld, die nicht durch Alterität angetastet wird. Der Schrecken entsteht überhaupt erst dadurch, dass die Kinder in schönster Landschaft bei ihren grausigen Taten nie den Habitus des kindlichen Liebreizes abstreifen. Entsprechend gehemmt versucht sich das Paar ihrer Attacken zu erwehren, nachdem unmissverständlich klar geworden ist, dass die Kinder einen Rachefeldzug gegen alle Erwachsenen angetreten haben. Aber sie bleiben nun mal Kinder, auch wenn sie beim Pinata-Spiel statt einer mit Süßem gefüllten Pappfigur einen halbtoten Mann mit einer Sichel traktieren.
Wollte man vom Backwood-Programm des Horrorfilms ausgehen, das ja nun zwei Jahre zuvor mit 'Texas Chainsaw Massacre' seinen wohl immer noch wichtigsten Vertreter hervorbringen sollte, dann ist es nicht die pervertierte Kehrseite der Zivilisation, die hier zur Gefahr wird und von den potentiellen Opfern eine Assimilation erfordert, um ihrer wieder Herr zu werden, sondern das manifeste Konzept Zivilisation und die in ihr verankerten Rollen selbst: Auch in ihrer Unschuld können Kinder Böses tun, so wie ihnen von Erwachsenen trotz ihrer Unschuld, so zeigte es bereits die Exposition, jederzeit Böses angetan werden kann.
Aber hätte sich aus der Unauflösbarkeit dieser pessimistischen Prämissen nicht das viel radikalere Werk ergeben? Auch wenn keine endgültige Klärung der Motivationen, keine Rationalisierung und keine Katharsis erfolgen, führt der Film dennoch im Finale ein metaphysisches Element ein, wenn er den Kindern quasi telepathische Fähigkeiten zuweist, die in letzter Instanz selbst das ungeborene Kind Evelyns zur Rebellion zwingen werden. Das schwächt zwar nicht den brillant inszenierten Horror der Erzählung, aber ihren gesellschaftskritischen Impetus doch erheblich. Dass im Anschluss hieran Toms Vorgehen vollends rücksichtslos ausfällt, wirkt da fast schon genrekonform.
Eine ähnliche Konformität würde man sich allerdings bei anderen DVD-Anbietern wünschen, wenn es um Fragen der Qualität und Ausstattung geht. Denn beides ist auch bei dieser Edition wieder exzellent geraten.