Charles Farmer vereinigt in sich gleich zwei moderne Repräsentanten der Eroberung: Westerner und Astronaut. Denn der träumerische wie idealistische Farmer und ausgebildete Astronaut wünscht sich nichts sehnlicher als die Erfüllung seines Lebenstraums: Mit einer selbstgebauten Rakete die Erde zu umkreisen. Nicht jeder Traum ist indes einfach zu realisieren. Der Schuldenberg nimmt existenzbedrohende Ausmaße an, und nachdem der Kauf von 10.000 Litern Treibstoff zudem das FBI aufmerksam werden lässt, droht das Projekt zu kippen, zumal sich Farmer nun auch noch unter dauernder Beobachtung der Presse befindet, die ihn zum amerikanischen Helden zu stilisieren versucht, aber auch gleichermaßen geschickt für seine Zwecke vereinnahmt wird. Das kann ihn aber nicht beirren, denn den Mann treiben gleich zwei Aufgaben an: zum einen den traumatisch nachwirkenden Suizid seines Vaters zu verarbeiten und darüberhinaus als aufrechtes Vorbild für seine Kinder zu fungieren. Dass die gesamte Familie notwendigerweise für dieses Ein-Mann-Unternehmen vereinnahmt wird, ist nämlich der Motor, der die ganze Geschichte vorantreibt und die gesamte Produktion zum uramerikanischen Bilderbogen glättet. Nachdem er sich durch einen missglückten, trotzig wie unbedacht beschlossenen Startversuch direkt ins Krankenhaus beförderte, liegt es nun an der Familie – den ohnehin längst Leidtragenden seines therapeutischen Wahns – seine überbliebenen Identitätstrümmer zusammenzufügen. Die Kinder sollen begreifen, dass es stets lohnenswert ist, Träume zu entwickeln und sie zu leben, drum wird schleunigst eine zweite Rakete gemeinsam gebaut und auf den Namen „Dreamer' getauft. Und die Erdumrundung wird diesmal auch gelingen. So pathetisch das nun auch klingen mag, mit solch ernstem Gestus wird es uns denn tatsächlich dargeboten.
Die Exposition zeigt einen Astronauten zu Pferd, der im Breitwandformat vor malerischer Kulisse ein entflohenes Kalb einfängt. Aber entgegen allen ersten Vermutungen spielt der Film nicht mit der ikonographischen Zurichtung popkultureller Stereotypien, im Gegenteil, er setzt allen Ernstes ihren Mythos gleich doppelt fort. Der familiär besetzte Boden, die Farm, wird ins All fortgetragen, auch wenn der einzige Nutznießer des Vorhabens bloß Charles ist, dessen fixe Illusion die Familie an den Rande der Obdachlosigkeit treibt, sei es finanziell, sei es reputativ, denn es versteht sich von selbst, dass die Regierung den Griff nach den Sternen schon aus Integritätsgründen nicht zulassen will.
Was wir geboten bekommen, ist die Abkehr von paternalistischer staatlicher Bevormundung, ein Plädoyer des radikalen Individualismus, die Kultivierung des eigenen Traums, die schon als didaktischer Fingerzeig ein Fanal für den Nachwuchs erzeugen soll, darüberhinaus auch noch institutionenskeptisch daherkommen will und doch nicht mehr bedeutet als narzisstische Inanspruchnahme aller verfügbaren Ressourcen des Familienoberhaupts, auch der des Humankapitals, der Familienmitglieder. Denn tatsächlich besteht deren einzige Funktion darin, ihre Pflicht zu erfüllen, um daraus zukünftig zu lernen, sich dem Vater anzudienen, um daraus traumfähig zu werden. Dass Manie und pathologischer Zwang zufällig doch zum Erfolg führen können, dass sich manchmal hinterm romantischen Blick knallharter Rational Choice verbirgt, dass die Abkehr vom großen Kollektiv scheinbar auch nur seine Ankunft im Kleinen bedeutet, dass das vorgeblich ironische Spiel mit der Arbitrarität der Zeichen unglaublich eindeutig ausfallen kann und dass die Restauration des Familienidylls selbst nach „Der Eissturm', „Happiness' und Co. immer noch derart offenkundig aufgefahren wird, sind wohl die Eindrücke, die man aus diesem Lehrstück, es drängt sich einfach auf, bildgeronnener Hermann-Philosophie mitnimmt. Und die kann man lesen oder im Fernsehapparat anschauen. Genug ist genug.