Dunkelgrau, kalt und in bläuliches Licht getaucht, erscheint New York in Dagur Káris neuem Film „Ein gutes Herz“. Die Behausungen seiner beiden Protagonisten liegen an den finsteren Rändern der Gesellschaft. Von dort aus führt der isländische Regisseur in einer einleitenden Parallelmontage den bärbeißigen Barbesitzer Jacques (Brian Cox) und den jungen Obdachlosen Lucas (Paul Dano) zusammen. Weil Jacques seinen mittlerweile fünften Herzinfarkt erleidet und Lucas einen Selbstmordversuch unternimmt, landen beide im Krankenhaus. Hier, im Angesicht des Todes, beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die sich auch als Vater-Sohn-Beziehung oder als Lehrer-Schüler-Verhältnis beschreiben lässt und die auf umfangreichen, das Leben verändernden Austauschprozessen beruht.
Denn es sind vor allem die mitunter fast schon stereotypen Gegensätze der Charaktere, die Dagur Kári dramaturgisch nutzt, um deren Annäherung als ebenso skurrile wie komische Verwandlung zu erzählen. So wird aus dem prinzipientreuen Misanthropen Jacques, der zu viel raucht und trinkt und sich in seinen wüsten Schimpftiraden konsequent rassistisch, frauenfeindlich und homophob gebärdet, irgendwann ein milder Menschenfreund mit (mehrdeutig) gutem Herzen; während der in seiner gutmütigen Freundlichkeit zunächst naive, unbeholfene Außenseiter Lucas an Stärke und Selbstbewusstsein gewinnt. Jacques‘ heruntergewirtschaftete Spelunke wird dabei zu einer Art Schule des Lebens. Als Katalysator fungiert aber auch die hübsche April (Isild Le Besco), die eines Abends triefend nass das „Haus der Austern“ als Asyl aufsucht.
Ihre Rolle sowie die mit ihr verbundene Liebesgeschichte bleiben allerdings merkwürdig unterbelichtet und uninspiriert. Dagur Kári, der mit seinen unkonventionellen Indie-Filmen „Nói Albínói“ und „Dark Horse“ bekannt wurde, ist mit seiner kalkulierter und auch vorhersehbarer wirkenden neuen Arbeit wohl im Arthouse-Mainstream angelangt. Weitgehend treu geblieben ist er seinem Interesse für Randfiguren und einem lakonisch-schrägen Tonfall, zu dem das tragische, ins Gleichnishafte überhöhte Ende dann aber doch nicht ganz passen will.