„Bug“ ist nichts weniger als das formidable Alterswerk eines gestandenen New Hollywood-Protagonisten, der sich nach einer langen Durststrecke zur alten Größe aufschwingt. Streng durchkomponiert und von solch bedrückender Kälte, wie es Friedkin zuletzt wohl mit „Rampage“ (1988) gelang. Unbequem, tragisch, sarkastisch. Und irgendwie disparat.
Kein Horrorfilm, vielleicht ein Psychodrama, dessen Intensität indes der Intensität der Angsterzeugung in einem gelungenen Horrorfilm in nichts nachsteht. Der Dämon aus dem Exorzisten ist hier weltlichen Ursprungs, aber er weiß ebenbürtig Kopf und Körper zu attackieren. „Bug“ bleibt für lupenreines Identifikationskino, in dem runde Charaktere jederzeit ihre Motivationen einsehen lassen, unzugänglich. Nicht ungewöhnlich für Friedkin. Seine Figuren sind im Regelfall im Jetzt positioniert, verfügen meist über keine nennenswerte Vorgeschichte. Sie zerbrechen an den Situationen, denen sie ausgeliefert sind. Im vorliegenden Fall ist das fast wörtlich zu nehmen, denn der menschliche Körper wird hier, bis zum düsteren Finale, ganz freiwillig radikal malträtiert. So freiwillig, wie die Paranoia es eben zulässt, die die Fäden dieses Kammerspiels zusammen hält und zwar so stark, dass sie, irritierend für den Zuschauer, Einzug in die Sprache des Films findet. Das beginnt bereits mit der ersten Einstellung, in der die Kamera im freien Flug aus der Vogelperspektive das Motel fokussiert, in welches sich der Wahnsinn einnisten wird. Wir wissen gleich: In dieser Einöde inmitten Oklahomas gibt es kein Entkommen, wir haben aber auch auf der personalen Erzählerebene eine Instanz, die mit den Ängsten der zwei Protagonisten korrespondiert. Da draußen könnten „sie“ sein, vielleicht nicht nur in der Einbildung. Agnes (Ashley Judd) und Peter (Michael Shannon) sind zwei gestrandete Existenzen, in denen die Furcht vor dem Kontrollverlust pulsiert. Sie wird von ihrem Ex-Mann terrorisiert, der immer wieder in ihr Heim hereinbricht, sie (mutmaßlich?) mit Telefonanrufen belästigt, aber deshalb vielleicht kalkulierbar bleibt; er wiederum leidet an einem Kriegstrauma, an dem Glauben, Proband in einem Regierungsexperiment zu sein, in dem man ihn zur Kontrolle mit Käfern bestückte, die den gesamten Körper, später auch das Motel infiltrieren. Eine tragische Liebe, soviel ist klar, aber vor dem Mitgefühl befinden wir uns längst im Bannkreis der Irritation.
Zur einleitenden Vogelperspektive der Kamera gibt es das Läuten des Telefons zu hören (überhaupt wird Friedkin, was fast schon wie eine ironische Kommentierung des eigenen Werkes erscheint, die Tonspur nur einmal für einen kurzen Moment offscreen ausnutzen), Agnes hebt ab, aber niemand meldet sich. Bereits in diesem Moment haben wir die zwei zentralen Ängste der beiden Liebenden vereint, diffus und allmächtig die eine, scheinbar greifbar die andere. Und wir sollen in die Erzählung kein Vertrauen schöpfen. Wenn Agnes nach der ersten gemeinsamen Nacht mit Peter aufwacht, mit einem sanften Lächeln zum Badezimmer schaut und urplötzlich Jerry (Harry Connick jr.), ihr Ex-Mann, aus selbigem tritt, ist es bereits egal, dass Peter lediglich die Frühstücksbrötchen besorgte und Jerry sich eigenmächtig Eintritt verschaffte, wir hätten auch Zeugen einer gestörten Wahrnehmung sein können. Dieser entrückte Eindruck setzt sich fort: Wieso ist Agnes so schnell Peter hörig, obwohl sie zuvor mit aller Härte verdeutlichte, dass sie kein Interesse an Männern hat? Was wurde aus ihrem Sohn, der scheinbar entführt wurde und nie mehr auftauchte? Wieso legt der cholerische und eifersüchtige Jerry nicht ein Mal Hand an Peter? Wer ist der dubiose Arzt, der später ins Geschehen tritt und offensichtlich Jerry kennt und als Aufklärer und Heilsbringer zugleich fungiert (und den Schauplatz nicht lebend verlassen wird)? Und was haben dann die mysteriösen Anrufe zu bedeuten, wenn Jerry ohnehin das Motel betreten kann, wie es ihm passt? Welcher Pizzaservice liefert seine Ware unaufgefordert? Wieso lässt sich Agnes’ höchstbesorgte und beste Freundin nicht mehr blicken, obwohl sie Zeugin des dramatischen Zustands der beiden wurde?
Beim niederschmetternden Finale offenbart sich langsam die Ahnung, dass diese Chronik einer fatalen Paranoia scheinbar immer wieder die Narration ins Assoziieren lenkte, in eine trübe Logik, die nur durch willkürliche Sinnerschließung zum roten Faden gerinnen kann. In diesem Fall bleibt uns nichts anderes übrig, als Agnes zuzustimmen, wenn es triumphierend aus ihr herausschreit, dass sie die Mutterschabe sei. Das ist dann wohl der Horror des mentalen Verfalls, über den wir uns erhaben wähnten und dennoch von Anfang an durch ihn geblendet wurden.