Das Leben ist unter Verschluss in Michael Hanekes verstörend konsequentem Film „Der siebente Kontinent“, dem ersten Teil seiner Trilogie über „emotionale Vergletscherung“. Bereits die Eröffnungssequenz in der Autowaschanlage, ein wiederkehrendes Motiv in dem repetitiv gebauten Werk, liefert diesbezüglich Bilder eines klaustrophobischen Eingeschlossenseins. Die Dialektik zwischen Innen- und Außenraum markiert die im Folgenden thematisierte Differenz zwischen gesellschaftlicher Funktionstüchtigkeit und innerer Leere, in der die Figuren gefangen sind. Die Windschutzscheibe mit ihrer verwischten Transparenz fungiert dabei als eine Art zweite Leinwand und Projektionsfläche für die subjektiven Blicke der Autoinsassen: Einem in Sprachlosigkeit erstarrten Paar, dessen Schweigen von der bedrohlichen Geräuschkulisse der Autowaschanlage kontrastiert wird. „Welcome to Australia“ verkündet schließlich ein Werbeplakat am Ende des Waschvorgangs und schenkt dem Filmtitel zugleich das zentrale Sehnsuchtsbild.
Dann, mit Beginn des nach Jahreszahlen in drei Teile gegliederten Films, wird die dreiköpfige Familie vorgestellt, wobei die Gesichter der Protagonisten lange ausgespart bleiben. Genauer gesagt, ist es also eher die Symptomstruktur mechanischer, täglich wiederkehrender Handlungen und Verrichtungen, die in Detailaufnahmen vorgeführt und seziert werden. Diese ebenso rigorose Abstraktion wie brutal verdichtende Reduktion gibt dem Ausschnitt eine emblematische Bedeutung. Vom pünktlichen Signal des Radioweckers, der – es ist das Jahr 1987 – Kriegsnachrichten aus dem Irak bringt, über die Ordnung der Zahnbürsten im Bad bis zum elektrisch gesteuerten Garagentor, das sich wie ein Sargdeckel oder eine Bunkertür öffnet, entsteht so ein Terror des geregelten Lebens. Die bewusst kalt und steril ins Bild gesetzte Mechanik der Lebenszusammenhänge lässt kein Außerhalb zu, kaum ein Atmen. Und auch die anvisierte Freiheit des Zuschauers ist in diesen gelenkten Blicken eingeschlossen.
Haneke sagt, er zeige, ohne zu erklären. Tatsächlich betreibt sein Film, der den auf einem wahren Fall basierenden kollektiven Selbstmord einer Familie protokolliert, keine Ursachenforschung. Und doch erzeugt die Struktur des Films mit seinen abrupten Zäsuren, die in wenig entlastendem Schwarzfilm münden, selbst jenen Alptraum, von dem hier die Rede ist. Zwischen der Wahrnehmung einer unerträglich gewordenen Existenz und einer akribisch geplanten Tat, die sich von der Abschottung über eine gründlich durchgeführte Zerstörungsorgie bis zur kalkulierten Selbsttötung erstreckt, liegt jedoch die Reflexion. Deren Aussparung in Hanekes Film, also der fehlende innere Blick der Figuren auf sich selbst, macht diese zu Marionetten eines künstlerischen Konstrukts, das seine emotionalen Wirkungen zwar nicht verfehlt, aber mit der Unfreiheit der Figuren auch noch die mögliche Freiheit des Zuschauers opfert.