Er ist Baumschneider, sie Bibliothekarin. Er hackt Äste ab und spielt einmal die Woche Fußball, sie schreibt an einem Werk über einen längst vergessenen Biologen des 19. Jahrhunderts. Sie lernen sich im Chat kennen und treffen sich zum ersten Mal an einer Autobahnraststätte. An einem Ort, an dem man nicht bleiben möchte.
Bald zieht Maren bei Robert ein; und mit ihr ihr Sohn Daniel, der sich nach den Vorstellungen der Eltern mit Roberts Tochter Mira anfreunden soll. Vier müssen sich zusammenraufen, das ist nicht ganz einfach: „Du schneidest Bäume ab?“, fragt Maren Robert, „ich dachte, du bist Biologe.“ Man ist halt nicht immer das, was man sein will, aber vielleicht kann ja doch Liebe entstehen, auch bei Menschen, die erstmal weit voneinander weg stehen.
Marens Leben ist voll von Literatur, und bei Robert stecken in den Buchhüllen Videokassetten. Aber dafür ist er schon wieder rührend in seiner schüchternen Unsicherheit, aus der heraus er aber doch hartnäckige Zielstrebigkeit entwickelt: Er will Maren bei sich haben. Und sie bleibt. Und sie lieben sich.
Franz Müller, der vor Jahren den wunderbaren, hingetupften, improvisierten und witzig-starken „Science Fiction“ gedreht hat, beschäftigt sich hier mit der Liebe, in eigentlich ganz einfacher Form: Mann und Frau begegnen sich, und irgendetwas entsteht daraus. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit inszeniert er diesen Film, der sich auf seine vier Hauptpersonen konzentriert und sie in ihrem Alltag abfängt – und der zugleich mit großem Stilwillen erzählt ist, mit genauer Psychologie und souveränem Timing. Sprich: mit der Kunst, wegzulassen, elliptisch zu erzählen.
Denn dann macht Maren eines Tages die Kinderzimmertür auf, und Mira und Daniel, die Teenager, liegen nackt unter einer Decke. Während die Eltern sich in ihre innigen Beziehung eingelebt haben, hat sich unbemerkt etwas Neues entwickelt, bei den Kindern: und damit wird es plötzlich kompliziert, mit dieser Doppelung der Liebe. Und auf reizvolle, unaufdringliche Art überkreuzen sich die Liebesgeschichten. Während Maren sich von Robert entfernt, streben die Kinder mehr und mehr zueinander; und irgendwann stellt sich auch die Frage, wer denn nun reif genug ist für die Liebe. Während Robert in emotionaler Unbeholfenheit seine Gefühle nicht auszudrücken vermag, wirken die Jungmädchenträume und -poesien seiner Tochter Mira plötzlich wie aufrichtige Apotheosen wahrer Liebe. Während Maren sich von ihrem Lektor hofieren lässt und damit Robert verletzt, hängt sich Daniel selbstvergessen, glückgebadet an seine Mira, und beide träumen den romantischen Traum von der Ferne, von der Autarkie des Liebesglücks, der wahr werden könnte. Aber vielleicht ist das auch nur jugendlicher Trotz, der auf das Beziehungsaufundab der Eltern reagiert? Jeder pflanzt im anderen Vorstellungen, die er dann nicht erfüllen kann: mit Lebenserfahrung hat Liebe jedenfalls nichts zu tun.
Müller gelingt es, Subtilität und Dynamik zu verschränken, aus seinen Porträts von Liebenden ergibt sich ein Spannungsfeld des Beziehungsgeflechtes. Liebe ist wie eine Wasserstoffbombe, heißt es einmal. Wenn sich zwei Teilchen verschmelzen und dabei unheimliche Energie freisetzen, dann strahlen sie, und dann ist es vorbei.