Mit dem Kino verhält es sich ähnlich wie mit der Mode: früher oder später kommt alles zurück. Jede alte Masche wird ausgegraben, jeder Stil neu aufgelegt, dabei freilich den Koordinaten zeitgenössischer Befindlichkeit angepasst. Die Sechziger und Siebziger erlebten ihr Revival mit mehr oder weniger gelungenen Remakes von ehemaligen Blockbustern wie „Ocean’s Eleven“ (1960/2001), „The Italian Job“ (1969/2003), „The Longest Yard“ (1974/2005). Jetzt sind offenbar die Achtziger dran. Ganz oben auf der Retro-Welle schwimmt Sylvester Stallone, der mit „Rocky Balboa“ (2006) und „John Rambo“ (2009) Filmkritik kürzlich seine erfolgreichsten Filmserien recycelt hat. Mit beiden Filmen gelang dem heute 64-jährigen nach den glücklosen Neunzigern und dem Abstieg ins Direct-to-DVD-Segment der Videotheken ein unerwartetes Comeback.
„The Expendables“ ist Stallones Versuch, mit einem High Concept-Film das stumpfe Guys-on-a-Mission-Subgenre der Achtziger als Sommerblockbuster neu zu beleben, also die Ära, der wir solche ‚Meisterwerke’ wie Joseph Zitos „Missing in Action“ (1984), Mark L. Lesters „Phantom-Kommando“ („Commando“; 1985) und Menahem Golans „Delta Force“ (1986) zu verdanken haben. Stallone hat dazu eine Ensemble-Cast aus ehemaligen und gegenwärtigen A- und B-Stars des Actionfilms zusammengetrommelt, die sich durchaus sehen lässt: den aus den „Transporter“- und „Crank“-Filmen bekannten Briten Jason Statham, den chinesischen Martial-Arts-Star Jet Li, der u.a. mit Tsui Harks „Once Upon a Time in China“-Serie (1991ff.) reüssierte sowie Terry Crews („Gamer“) und den Wrestler Randy Couture. In Nebenrollen treten der Hüne Dolph Lundgren („Red Scorpion“ und „Punisher“; 1989) und der notorische Overactor Eric Roberts auf, beide zuletzt vornehmlich in Videotheken-B-Ware zu sehen. Auch Mickey Rourke, Walter Hills ehemaliger „Johnny Handsome“ (1989), der als „The Wrestler“ Filmkritik vor zwei Jahren eine fulminante Rückkehr auf die große Leinwand erleben durfte, spielt eine kleine Rolle. Und in einem amüsanten Cameo frozzeln sich Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis an. Die Hauptrolle hat sich Stallone, der auch als Kodrehbuchautor und Regisseur fungiert, freilich selbst auf den Leib geschrieben.
Der Plot, der problemlos auf einen Bierdeckel passt, nutzt die vertrauten Versatzstücke des Achtziger-Jahre-Actionkinos: muskelgestählte Protagonisten, körperbetonte Action, großkalibrige Waffen, lärmende Maschinen – Motorräder, Autos, Flugzeuge –, schöne Frauen in Not, Prä-CGI- Benzin-Explosionen, eindimensionale Charaktere, die sich in grimmig dreinblickende Schurken und ebenso grimmige Helden teilen, ein fiktiver südamerikanischer Folterstaat, den die Protagonisten zu Klump schießen und sprengen dürfen, dumme Machosprüche, Männerbündelei, Schwulenwitze und die obligatorischen One-liner – kurz: alles, was ein Zuschauer mit dem emotionalen Reifegrad eines 14-Jährigen von einem Film erwartet. Die eigentliche Frage ist, ob so etwas heute noch ansatzweise im Kino funktioniert? Die Einspielergebnisse in den USA sprechen dafür, 35 Millionen US-Dollar am Startwochenende. Aber als Film lahmt das schlampig inszenierte Flickwerk deutlich.
Das Hauptproblem von „The Expendables“ liegt in Stallones Unfähigkeit, den filmischen Raum in der Montage zu konstruieren. Wie viele Autos sind eigentlich an einer Verfolgungsjagd beteiligt? Wie viele Gegner treten in einem Shoot-out gegen die Helden an, wie viele von ihnen sterben? Wer befindet sich überhaupt in einer Actionsequenz an welcher Stelle im Raum? Wer sich Stallones Testosteronorgie ansieht, kann man solche Fragen nur mit viel Phantasie beantworten. Die Montage geht mit dem Filmmaterial um, wie die Helden mit ihren Gegnern; sie verarbeitet alles zu Kleinholz, ohne Sinn und Verstand. Guten Actionregisseuren, sagen wir einmal Sam Peckinpah oder Robert Aldrich, gelang es immer, den Zuschauer selbst im Schnittstakkato eines Showdowns mit höchster Konzentration durchs Chaos zu leiten, selbst wenn das Ziel der Inszenierung die Evozierung vom Chaos einer unüberschaubaren Schlacht war. In den Actionsequenzen von „The Expendables“ dagegen verliert sich jede Ordnung des Materials, was umso augenfälliger ist, da der halbe Film aus solchen Ballereinen besteht, in denen die Schnittfrequenz oft unter die Ein-Sekunden-Grenze gleitet und ein Teil der Einstellungen obendrein mit verwackelter Handkamera gefilmt ist.
Zudem geht den Film fast jegliche Ironie ab, was die durch den Plot nicht einmal alibihaft legitimierte Gewalt gänzlich selbstzweckhaft wirken lässt. Stallones halbes dreckiges Dutzend bringt das ,kreative Töten’ zu einem neuen Höhepunkt: Die Gegner werden zerstückelt, erstochen, zu blutigem Brei geschossen, erwürgt, erschlagen etc., ganz in der mit „John Rambo“ erprobten Manier. Schon in der Exposition, für sich selbst eine Art Miniatur des ganzen Films, zerplatzt ein somalischer Pirat buchstäblich. Später werden dann 40 Mann von Stathams und Stallones Figuren aus einem Flugzeug heraus mit Kerosin übergossen und eingeäschert. „Good Job“, brummelt Stallone danach.
An dieser Sequenz lässt sich gut der Unterschied zu einem anderen, zu seiner Zeit heftig umstrittenen Kommando-Film festmachen, den Stallone durchaus zitiert: Robert Aldrichs „Das Dreckige Dutzend“ von 1967. Den ambivalenten Höhepunkt von Aldrichs Weltkriegsfilm bildete eine Sequenz, in der die unwilligen Soldaten eine Gruppe von deutschen Offizieren massakriert, die in einem Luftschutzbunker mit Zivilisten zusammengepfercht sind. Der Keller wird von den lachenden US-Soldaten mit Benzin getränkt. Danach läuft Jim Brown, all-American-hero und nationaler Football-Star, einen homerun über den Vorplatz des Chateaus, Handgranaten in die Lüftungsschlitze werfend, um so die Eingeschlossenen, Frauen und Kinder inklusive, in Flammen zu setzen. Auschwitz und Vietnam, Krematorium und Napalm, Baseball und Krieg, alles in einer Einstellung, das war 1967, zur Zeit der Eskalation des Vietnamkriegs, eine heftige Provokation, mit der Aldrich den Mythos vom ehrbaren Krieg vollständig unterminierte und die Identifikation mit seinen Protagonisten nachhaltig erschütterte. Bei Stallone dagegen ist eine ähnliche Sequenz nur eine große Gaudi und Ausweis der Männlichkeit der Protagonisten, ganz unreflektiert und naiv. Man mag einwenden, dass mit Eric Roberts’ hinterhältigem Ex-CIA-Mann eine Figur auftritt, die das von der Bush-Administration verteidigte Waterboarding anwenden lässt. Andererseits gewinnen die von der CIA angeheuerten Expendables zumindest metaphorisch diesmal die Invasion der Schweinebucht. Auch ideologisch steckt der Film noch tief in den Achtzigern.
Erstaunlich ist allenfalls, wie düster Stallones Film ausgefallen ist – nicht nur in Bezug auf seine Ironiefreiheit und die hyperreale Gewaltdarstellung, sondern ganz unmittelbar das Visuelle betreffend. Schon die Eingangssequenz ist so düster und mit so starkem Seitenlicht inszeniert, sie könnte aus einem Film Noir stammen. Stallones Kameramann Jeffrey Kimballs kontrastreiche Bilder, in denen die Protagonisten von Schatten verschluckt werden, wirken mitunter, als ob wir in einem Film von Clint Eastwood wären. Und wenn es mal nicht knallt und scheppert, dann dominieren übernahe Großaufnahmen von Gesichtern die Leinwand. Man kann sich das Ergebnis in etwa wie einen Leone-Film ohne Epik und Pathos und Stil vorstellen. Mitunter wird die Glorifizierung penetrant. So zieht einer der Helden (Statham) aus, um einen Frauenschläger zu vermöbeln – noch so eine Achtziger-Jahre-Standardszene – und bevor er den ersten Schlag landet, erfasst ihn die Kamera, von hinten ausgeleuchtet, in ein geradezu himmlisches Licht getaucht, um seinen Kopf eine Aureole. Im Zentrum aber steht der zeitlose Stallone-Körper: tätowiert und absurd muskulös ist der Anabolika-gestählte Hardbody, mit Adern auf Armen und Torso, dick wie Blindschleichen, grollender Stimme und mit Schmuck behängt wie ein Weihnachtsbaum. Einzig Statham lässt Stallone neben sich Konturen entwickeln, wohlweislich als Sidekick. Jet Li dagegen ist völlig verschwendet in dem Film. Die einzige Schauspielerszene darf Mickey Rourke absolvieren, der das Unfassbare in diesem Mackerfilm macht: Er weint. So sind in diesem Film tatsächlich fast alle ,expendable’, bis auf den Actor-Director-Writer Stallone. Die eigentliche Ironie des Films aber ist, dass er in Deutschland nur für Erwachsene freigegeben wurde, obwohl doch nur 16-jährige hier ihren Spaß haben dürften.