Aus der Vogelperspektive nähert sich die Kamera im Drohnenflug einem jener hässlichen Hochhäuser, die symptomatisch sind für das ausgegrenzte Leben in französischen Vorstädten. Der Teil und das Ganze sind in dieser Eröffnungssequenz des Films „Die Unerwünschten – Les indésirable“ unmittelbar und untrennbar aufeinander bezogen. Das marode Gebäude und die trostlose Perspektivlosigkeit seiner Bewohner stehen hier in direkter Wechselwirkung. „Wie kann man an einem solchen Ort leben und sterben?“, heißt es gleich zu Beginn, als die Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens über mehrere Stockwerke hinweg einen Sarg durch das enge Treppenhaus wuchten, weil der Fahrstuhl seit langem kaputt ist. Der französische Regisseur Ladj Ly, der mit seinem Sozialdrama „Die Wütenden – Les misérable“ reüssierte, ist als Sohn malischer Einwanderer selbst in einem solchen Gebäude im Pariser Vorort Montfermeil aufgewachsen, weshalb der Film im Original den Titel „Bâtiment 5“ („Block 5“) trägt. Ein hoher Anteil afrikanischer Migranten („Alle hier sind Ausländer.“), beengte Wohnverhältnisse, Kriminalität, aber auch Solidarität kennzeichnen das Leben in dieser Sozialsiedlung mit dem imaginären Namen Montvilliers.
Die Sprengung eines Wohnblocks führt ins sozialpolitische Zentrum des ambivalenten Geschehens. Denn einerseits soll das Leben der Bewohner durch ein Umsiedlungsprogramm verbessert werden, andererseits werden diese dabei von der Stadtverwaltung finanzielle übervorteilt. Eine, die das durchschaut, ist die junge Haby Keita (Anta Diaw). Sie arbeitet im städtischen Archiv und engagiert sich in einem Verein zur Unterstützung von Wohnungssuchenden. Weil die geplanten kleineren Wohnungen für Großfamilien ungeeignet sind, kommt es zum Konflikt mit dem Interimsbürgermeister Pierre Forges (Alexis Manenti). Denn der lokalpolitisch unerfahrene Kinderarzt ist in vielerlei Hinsicht nicht nur ein Kommunikation verweigernder Ignorant, sondern er versucht außerdem, mit harten Maßnahmen seine ungerechte, „selektive“ und kompromisslose Politik durchzusetzen. Das wiederum führt zu Unmut und Gewalt in der Bevölkerung. Als nach einem Brand in einer Wohnung, die als illegales Restaurant dient, das Gebäude unverzüglich evakuiert werden soll, eskaliert die Situation in der Konfrontation mit der Polizei.
Ladj Ly zeichnet in seinem sozialrealistischen, multiperspektivisch angelegten Ensemblefilm das mitunter plakativ zugespitzte Bild einer diskriminierten, unterdrückten Community am Rande der Gesellschaft und gibt dabei wertvolle Einblicke in eine sonst unbekannte Welt. Dabei spiegelt er den gesellschaftlichen Riss nicht nur im Verhältnis des Bürgermeisters zu seinem erfahreneren, mit den Verhältnissen besser vertrauten Stellvertreter Roger (Steve Tientchien), sondern vor allem in der Beziehung von Haby zu ihrem wütenden Bruder Blaz (Aristote Luyindula). Während sich dieser, durch polizeiliche Willkür angestachelt, zu einer radikalen Tat hinreißen lässt, mahnt die kluge Haby zur Besonnenheit und kandidiert selbst und mit großem Rückhalt in der Bevölkerung für das Amt der Bürgermeisterin. Immer wieder zeigt Ladj Ly, wie Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe eine Alternative zu den gewalttätigen, diskriminierenden Erfahrungen sein können. Gefragt, wie sie sich selbst beschreiben würde, antwortet Haby gegenüber einer Journalistin selbstbewusst: „Ich bin eine Französin unserer Zeit.“