Petra Kelly – Act now!

(DE 2024; Regie: Doris Metz)

Mit dem Herzen denken

„Auf der Straße verändert sich mehr als im Parlament“, sagt Petra Kelly gleich zu Beginn des Films, um auf die demokratische Notwendigkeit außerparlamentarischer Bewegungen und zivilen Ungehorsams hinzuweisen. Dazu zeigt Doris Metz in ihrem Dokumentarfilm „Petra Kelly – Act now!“, einem bewegenden Portrait der streitbaren politischen Aktivistin, Bilder früherer und gegenwärtiger Demonstrationen. Über die Zeiten hinweg verbinden sich die unterschiedlichen Protestformen im Kampf für Frieden und Abrüstung, gegen Atomkraft und patriarchale Bevormundung sowie für eine gerechte Klimapolitik und global geltende Menschenrechte. Die Dokumentarfilmerin möchte damit einen „Diskurs zwischen den Generationen anstoßen“. Vor allem aber könne Petra Kelly, für die es keinen Unterschied zwischen Leben und Politik gab und die immer an die „Kraft der Utopie“ glaubte, als Vorbild für gegenwärtige Protestierende gelten. Denn mit ihrem visionären, globalen und vernetzten Denken war Kelly, die als stark und verletzlich, leidenschaftlich und wahrhaftig beschreiben wird, ihrer Zeit voraus. Insofern soll der Blick zurück zukünftiges Handeln inspirieren.

Anhand von Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten, in Selbstzeugnissen und mit umfangreichem Archivmaterial zeichnet Doris Metz auf eher konventionelle Weise den Lebensweg der idealistischen, energiegeladenen Aktivistin nach. 1947 im bayerisch-schwäbischen Günzburg geboren und von „Trümmerfrauen“ erzogen, wächst sie schließlich ab ihrem zwölften Lebensjahr in der Familie ihres amerikanischen Stiefvaters John E. Kelly in den USA auf, wo sie mit Auszeichnung Schule und Studium absolviert. Martin Luther King und Robert F. Kennedy, in dessen Wahlkampfteam sie eine Zeit lang arbeitet, werden zu ihren Vorbildern. Ihr sensibler Halbbruder John L. Kelly gibt darüber intim Auskunft. Später, ab Herbst 1970 wieder in Europa, engagiert sie sich in der Anti-Atomkraft-Bewegung, kämpft gegen den Rüstungswettlauf und wird Gründungsmitglied der Grünen, für die sie schließlich 1983 in den Bundestag gewählt wird. Begegnungen mit dem indigenen Menschenrechtsaktivisten Milo Yello Hair aus dem Pine Ridge Reservat in South Dakota, mit der Friedenskämpferin Cora Weiss und dem Künstler Joseph Beuys zeigen die weit gespannten Zusammenhänge ihres Engagements.

Petra Kellys fortgesetzte Infragestellung von Autoritäten und Machtstrukturen lässt sie gegen eine ebenso oberflächliche wie zynische „Politik hinter verschlossenen Türen“ und gegen einen von Männern beherrschten Bundestag opponieren, in dem sie mit analytischer Scharfsicht nurmehr eine „Tribüne für das Fernsehen“ erkennen kann. Ihr Misstrauen gegen Parteien und ihr gewaltfreies Denken bringen sie schließlich auch in Konflikt mit den Grünen, die doch eigentlich als „Anti-Parteien-Partei“ angetreten waren. Kelly wollte nur dem „Gesetz des Gewissens“ folgen und „mit dem Herzen denken“, wie der Titel eines ihrer Bücher lautet. Darüber und über die zunehmende Bedrohung durch die rechtsextreme LaRouche-Gruppe berichten ihre ehemaligen politischen Freunde und Freundinnen Lukas Beckmann und Otto Schily, Eva Quistorp und Ina Fuchs. Im fast 25 Jahr älteren, verheirateten Ex-Generalmajor Gert Bastian, der im Film seltsam ungreifbar bleibt, findet sie zwar eine „Beschützerfigur“; die tiefe und komplizierte Beziehung endet 1992 aber tödlich, als Bastian erst seine Lebensgefährtin und danach sich selbst erschießt. Dieser gewaltsame Tod steht in einem herben Kontrast zum friedliebenden Leben einer Frau, die so „charismatisch“, „wahrhaftig und anders“ war.

Petra Kelly – Act now!
Deutschland 2024 - 105 min.
Regie: Doris Metz - Drehbuch: Doris Metz - Produktion: Birgit Schulz - Bildgestaltung: Sophie Maintigneux - Montage: Nina Ergang - Musik: Cico Beck - Verleih: Real Fiction - Besetzung: -
Kinostart (D): 12.09.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt32844188/
Foto: © Real Fiction