Die Autofahrt durch Essen führt von den gesichtslosen Randbezirken in ein vornehmes Villenviertel. Dort bricht Trojan (Misel Matičević) bei einsetzender Dunkelheit in einen Bungalow ein, um einen Koffer mit wertvollen Armbanduhren zu stehlen. Trojan ist ein professioneller, gut vorbereiteter Krimineller, der alle Bewegungsabläufe verinnerlicht hat und dabei ruhig, konzentriert und präzise arbeitet. Der schweigsame Einzelgänger mit dem verschlossenen Blick, der sich keine Gefühle erlaubt, handelt zugleich nach erprobten Regeln und unumstößlichen Prinzipien. Im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Instinkt sind für ihn Vorsicht und Misstrauen oberste Gebote. Das zahlt sich aus, als er anderntags auf einem Parkplatz bei seinem Auftraggeber die Beute gegen Bargeld eintauschen will und dabei gelinkt und betrogen wird. Die Zeiten haben sich geändert, heißt es einmal; und mit ihnen offensichtlich auch die Moral und Ehrbegriffe der Verbrecher. Keinem ist zu trauen, Loyalität und Freundschaft gelten nicht mehr viel.
Mit der atmosphärisch stimmungsvollen und elliptisch gebauten Exposition zu seinem neuen Film „Verbrannte Erde“, dem nach „Im Schatten“ (2010) zweiten Teil der sogenannten Trojan-Trilogie, etabliert Thomas Arslan in verdichteter Form die Blaupause für das folgende Geschehen. Abgebrannt kehrt Trojan, der ohne festen Wohnsitz lebt, nach jahrelanger Abwesenheit in die Hauptstadt Berlin zurück, um sich mittels alter Kontakte in einen neuen Job vermitteln zu lassen. Aber nicht nur die Stadt mit ihren zersiedelten, grauen Ansichten und unwirtlichen Nicht-Orten – von Reinhold Vorschneider ins fahl beleuchtete Cinemascope-Bild gesetzt – hat sich verändert, sondern auch die Arbeitsbedingungen im gefährlichen Metier. Trojan soll in einem bereits fest verabredeten Team zusammen mit seinem alten Kumpel Luca (Tim Seyfi) sowie der Fluchtfahrerin Diana (Marie Leuenberger) und dem Computerspezialisten Chris (Bilge Bingül) das kleinformatige, millionenschwere Gemälde „Frau vor der untergehenden Sonne“ von Caspar David Friedrich aus dem Zwischenlager eines Museums stehlen. Vorbereitung und minutiöse Durchführung des Coups gelingen ohne Probleme. Doch dann will der gewissenlose Auftraggeber nicht zahlen und setzt seinen skrupellosen Killer Victor (Alexander Fehling) auf die Diebe an.
Ruhig und konzentriert, schnörkellos und kühl zeigt Thomas Arslan eine in sich geschlossene Welt im Dunkeln. Ohne Erklärungen, aufs Wesentliche reduziert und mit knappen Dialogen erzählt er vor allem in Bildern, die mit den wechselnden Stimmungen der Schauplätze und der physischen Präsenz der Figuren aufgeladen sind. Als gäbe es gute und böse Verbrecher geraten Trojan und seine Clique plötzlich unter Druck und werden zu Gejagten. Ihr gewalttätiger Gegenspieler Victor, der weder vor Verrat noch sadistischer Erpressung zurückschreckt, wird zum unheimlichen Phantom, das sich als kompromissloser Jäger immer mehr seinen mörderischen Zielen nähert. Die unsichtbare, aber sehr deutliche und greifbare Bedrohung und die kalte, mechanische Logik der verbrecherischen Interaktionen, zu denen nicht zuletzt auch rasante Verfolgungsjagden durch ein nächtliches Berlin gehören, entwickeln dabei eine enorme Spannung. Am Ende muss Trojan erneut die Stadt verlassen, um unterzutauchen.