Die schöne, stille Berglandschaft mit Blick auf das Meer steht im Kontrast zur rasanten, hektischen Autofahrt auf der kurvenreichen Strecke zu einem Fähranleger. Eine sichtlich nervöse Mutter will mit ihren beiden kleinen Kindern die Insel verlassen. Als sie einen Anruf mit einer unheilvollen Nachricht erhält, bricht sie innerlich zusammen. Nach dieser markanten, zunächst rätselhaften Exposition sind fünfzehn Jahre vergangen. Fahles Licht der aufgehenden Sonne spiegelt sich auf der Meeresoberfläche. Und Khédidja (Aïssatou Diallo Sagna), einst aus Westafrika eingewandert, kehrt unverhofft mit ihren jetzt erwachsenen Teenagertöchtern zurück nach Korsika. Als Angestellte einer wohlhabenden Pariser Familie, die dysfunktional erscheint, soll sie deren Kinder betreuen. Zusammen mit Farah und Jessica wohnt sie für diese Zeit in einem Mobilhome auf dem örtlichen Campingplatz in Strandnähe.
Catherine Corsinis Film „Rückkehr nach Korsika“ („Le retour“), der durch seine örtliche und zeitliche Rahmung, verknüpft mit einem sommerlichen Flair und immer wieder stimmungsvollen Naturpanoramen, die Anmutung einer Feriengeschichte besitzt, konzentriert sich zunächst auf die Jugendlichen. Während die aufmüpfige 15-jährige Farah (Esther Gohourou) schnell aufbegehrt und sehr sensibel auf fremdenfeindliche Anwürfe und Übergriffe reagiert, verhält sich ihre ältere Schwester Jessica (Suzy Bemba) zurückhaltender und besonnener. Die 18-Jährige ist eine strebsame junge Frau, die einen Studienplatz an der renommierten Elite-Uni Sciences Po ergattert hat und in ihrem Tagebuch über ihre zunehmende Distanz zu ihrer Familie schreibt: „Es ist nicht mehr meine Welt, es ist ihre Welt.“ Am liebsten würde Jessica ihre Herkunft abstreifen. Ein Ausdruck davon ist ihre beginnende Liebesbeziehung zur gleichaltrigen Gaïa (Lomane de Dietrich), der freiheitsliebenden ältesten Tochter der Pariser Familie.
Aber eigentlich leidet Jessica unter einer „Leere, die ich nicht auffüllen“ kann, wie sie sagt. Dieser blinde Fleck, der kein Vergessen erlaubt, wo die Erinnerungen dafür fehlen, bezieht sich auf die verschwiegenen Umstände ihres tödlich verunglückten Vaters. Während sich Jessica dem schmerzlichen Trauma ihrer verheimlichten Familiengeschichte nähert und damit auch einer unterdrückten Identität, verändert sich unter heftigen Wehen das labile Familiengefüge. Schließlich machen auch Farah und Khédidja neue Erfahrungen, die in einer Art kollektiven Katharsis kulminieren. Von eigenen Erlebnissen inspiriert und realitätsnah inszeniert, zeigt Catherine Corsini auf versöhnliche Weise, wie es ihren Heldinnen gelingt, soziale Unterschiede, Fremdheit und Schuldgefühle so einzufrieden, dass für sie ein jeweils neues Selbstverhältnis und ein erstarkter Zusammenhalt möglich werden.
Hier gibt es ein Interview mit Regisseurin Catherine Corsin.