Ein vollbesetztes, motorisiertes Boot mit Flüchtlingen ist unterwegs in der Weite des Meeres. Ein anderes, von dem man glauben soll, es handle sich um dasselbe, legt kurz darauf an einem Ufer an, wo die Ankömmlinge von vermutlich Einheimischen beschimpft und angefeindet werden. Dann erklären Textinserts, dass Geflüchtete, die im Jahr 2020 auf der griechischen Insel Lesbos landen, nicht willkommen sind und Europa keine weiteren Asyl- und Schutzsuchende aufnehmen wolle. Das für 2.500 Menschen ausgelegte Flüchtlingslager Moria sei mit 13.000 Menschen heillos überfüllt. Bedingt durch lange, ungewisse Wartezeiten befänden sich diese, verstärkt durch unwürdige Lebensbedingungen, mithin in einer „Sackgasse“. Kurz darauf vermittelt ein geschmeidiger Drohnenflug der Kamera über Wege, Zelte und Wellblechhütten einen ersten Eindruck der Lagerrealität.
Der politische Zusammenhang, der mit den ersten, vermutlich aus verschiedenen Quellen stammenden Bildern von Lina Lužytės Film „Picknick in Moria“ („Blue Red Deport“) nahegelegt wird, ist ebenso klar wie manipulativ. Auch wenn das Anliegen berechtigt und dringlich erscheint, bleiben die dabei verwendeten, intransparenten filmischen Mittel fragwürdig und problematisch. Eine mangelhafte Kontextualisierung, fehlende oder nur angedeutete Hintergründe und ein leider nur oberflächlicher, teils plakativer Blick auf die Lagerrealität bestimmen auch den weiteren Verlauf des angeblich heimlich gedrehten Films. Dabei geht es ihm und seinem Protagonisten Talibshah Hosini um eine „Erkundung der Realität“. Der geflüchtete afghanische Filmemacher und Schauspieler arbeitet mit seiner Familie und Lagerinsassen nämlich gerade an einem Film, der die prekären Lebensbedingungen in dem Camp beschreiben und über die Gefühlslage der Geflüchteten aufklären soll.
Als Film-im-Film dokumentiert die litauische Regisseurin diese mitunter beschwerlichen Dreharbeiten. Die Übergänge zu den Szenen des Lageralltags sind dabei fließend. Daneben zeigt Lina Lužytė die Vorbereitungen des Drehs, bei denen Talib Hosini seinem Cast aus Laien die von eigenen Erlebnissen inspirierte Handlung erklärt. In Interviews und Selbstauskünften stellt er wiederum sich und seine Familie vor. Dabei erzählt er auch von den Gründen, die den kritischen Künstler, seine Frau Yasamin, vormals Betreiberin eines Schönheitssalons, und die drei kleinen Töchter dazu bewogen haben, unter den Drohgebärden der Taliban ihre Heimat zu verlassen; diese Gründe will er jetzt, unterstützt von einer Helferin, bei einer Anhörung geltend machen.
Das Familienportrait und die Impressionen von den primitiven, provisorischen Lebensbedingungen verbinden sich so inhaltlich mit den in Ausschnitten gezeigten Film-im-Film-Spielszenen, die ebenfalls inszeniert erscheinen und nicht frei sind von problematischen Übergriffen im Umgang Hosinis mit seiner ältesten Tochter. Die Botschaft des mitunter forsch und ungeduldig auftretenden Mannes ist dabei unmissverständlich: „Wir sind nach Europa gegangen, weil wir den Fortschritt wollten, aber gelandet sind wir in der Steinzeit“ und an einem „schmutzigen, unfreundlichen Ort“, wie die Tochter – tatsächlich oder in einer Spielszene? – ergänzt. Lina Lužytės relativ distanzloser, aber diskussionswürdiger Film solidarisiert sich mit dieser Aussage und wird so zum Sprachrohr für ein immer dringlicher werdendes Problem.