Im Off summt leitmotivisch eine Schmeißfliege, während sich Theaterblut über den Bühnenboden ergießt. Doch dort, wo der Film beginnt und endet und sich Leben und Tod verbinden, laufen die Bilder zunächst rückwärts in der Zeit. Was blutrot ist, wird wieder sauber und weiß. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Und so können Leben und Liebe noch einmal beginnen. Axel Ranischs Opernfilm „Orphea in Love“, in dem die Geschlechterrollen des antiken Mythos vertauscht sind, wechselt fließend zwischen Traum und Wirklichkeit, Imagination und Inszenierung, wobei die beiden Protagonisten ihre Gefühle (füreinander) vor allem singend und tanzend ausdrücken.
Das beginnt schon im Callcenter, wo Nele (Mirjam Mesak) für ihr Studium jobbt und unter den kontrollierenden Blicken ihrer strengen Chefin (Christina Große) vergeblich versucht, ihre Quote zu erfüllen. Doch weil sie Geburtstag hat und außerdem von einem Kollegen angehimmelt wird, verwandelt sich das verschachtelte, in warmes Licht getauchte Großraumbüro unter den Klängen aus Puccinis Oper „La rondine“ kurzzeitig in eine Theaterbühne, auf der glückliche Mitarbeiter singen und tanzen. Neles Liebestraum wird aber erst wahr, als sie auf dem Weg zu ihrem Zweitjob als Garderobiere dem Taschendieb Kolya (Guido Badalamenti) begegnet, der am Stadtrand in einem Turm lebt. Als sie außerdem während der Aufführung der „Madame Butterfly“ spontan den Gesangspart der schwächelnde Titelheldin übernimmt, wird sie kurz darauf zusätzlich von dem zwielichtigen und selbstherrlichen Künstleragenten Höllbach (Heinz Pinkowski) mit einem Karriereangebot gelockt.
„Eines Tages sehen wir einen Rauchstreifen am Horizont“, singt Nele. Während sie und Kolya, getrieben von Sehnsucht und Verlangen, sich gegenseitig suchen und finden, verlieren und wieder vereinen, dabei auf erträumten Bühnen und in realen Unterführungen von fließenden, fast tanzenden Kamerabewegungen umhegt werden, öffnen sich in Axel Ranischs ebenso romantischer wie phantasievoller Opern-Revue Türen in die Vergangenheit. „Deine Stimme gegen sein Leben“, lautet Höllbachs perfides Angebot, bevor sich Nele auf den Weg in die Unterwelt begibt. Wird sie zugunsten der Liebe auf ihre Kunst verzichten? Muss sie etwa selbst noch eine alte Schuld abtragen? Axel Ranischs vielfach gebrochenes, zwischen Ernst und Humor changierendes Musical gibt die Antworten darauf, flankiert von viel Musik und einer Prise Selbstironie, natürlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten.