Vamos a la playa

(D 2023; Regie: Bettina Blümner)

Das Ungleichgewicht der Liebe

„Machen wir jetzt eine Gruppenreise?“, fragt der schon ungeduldig vor dem Flughafen wartende Benjamin (Leonard Scheicher) seine verspätet eintreffende Freundin Katharina (Victoria Schulz). Denn diese hat für den Trip nach Kuba spontan noch Judith (Maya Unger) eingeladen. Der reiche Papa zahle alles, beruhigt die ziemlich unbekümmerte und abenteuerlustige Katharina die Gemüter. Für ihn sollen sie auch ihren auf Kuba abgetauchten Bruder Wanja (Jakub Gierszal) aufspüren, der dort an seiner Masterarbeit über Seekühe arbeitet und sich seit langem nicht mehr gemeldet hat. Warum das so ist und warum der gewissenhafte und pflichtbewusste Benjamin den Auftrag ernster nimmt als die Tochter des Auftraggebers, lässt sich nur erahnen. Denn Bettina Blümner interessiert sich in ihrem diesbezüglich wenig entwickelten Plot ihres Films „Vamos a la playa“ mehr für die Beziehungs- und Liebeswirren ihrer jungen Protagonisten. Und so wird die Suche nach dem Verschwundenen eher zu einem Vorwand.

Sie wolle keine Beziehung führen, in der sie sich – so wie ihre Mutter – abhängig und bevormundet fühle, sagt Judith einmal zu Benjamin. Dieser verliebt sich zögerlich in die junge, selbstbewusste Frau, ist aber zu kontrolliert und angepasst, um den günstigen Zeitpunkt für ein intimes Geständnis zu nutzen. Stattdessen entwickelt Judith Gefühle für den Salsa-Tänzer Ignacio (Eugenio Torroella Ramos), der aus einer armen Familie stammt. Soziale und kulturelle Unterschiede, vor allem aber das enorme Wohlstandgefälle zwischen Touristen und Einheimischen deutet der Film in einigen Streiflichtern an. Gespiegelt werden die ungleichen Verhältnisse aber vor allem in der materialistischen Einstellung und dem Machtgebaren Katharinas, die vor allem nach Sex sucht, bereit ist, dafür zu zahlen und doch nur Enttäuschungen erlebt. Sie reproduziert gewissermaßen das von ihr verachtete Verhalten ihres Vaters.

„Was ist ein guter Orgasmus?“, fragt sich Katharina in einem ihrer Selbstgespräche, die sie mit ihrem Smartphone aufzeichnet. Diese zeitgeistigen Selbstbekundungen, die als dokumentarische Einsprengsel lose und eher unmotiviert über den Film verteilt sind, haben aber kaum einen Mehrwert in Bezug auf die Charakterisierung der Figuren. Gegliedert durch die zeitliche Angabe der einzelnen Tage, die sich schließlich zu drei Wochen summieren, tritt die Suche trotz räumlicher Veränderungen auf der Stelle. Wanjas plötzliches Auftauchen in der Stadt Trinidad gegen Ende der dünnen Handlung erscheint dann eher zufällig und hat auch keine besonderen Konsequenzen, obwohl bekannt wird, dass sein Vater schwer erkrankt ist. Diverse Ungereimtheiten in den nur oberflächlich skizzierten Familienbeziehungen legen nahe, dass der Fokus des um Authentizität bemühten und gut gespielten Films auf etwas anderes gerichtet ist, und zwar auf das Ungleichgewicht der Liebe im Spannungsfeld sozialer Differenzen. Nur leider mangelt es diesem traditionsreichen Thema in der vorliegenden Bearbeitung an Stringenz und Vertiefung.

Vamos a la playa
Deutschland 2023 - 90 min.
Regie: Bettina Blümner - Drehbuch: Bettina Blümner, Daniel Nocke - Produktion: Jamila Wenske - Bildgestaltung: Janis Mazuch - Montage: Anna Mbiya Katshunga - Verleih: JIP Film - FSK: ab 16 - Besetzung: Leonard Scheicher, Victoria Schulz, Maya Unger, Jakub Gierszal, Eugenio Torroella Ramos
Kinostart (D): 27.04.2023

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt21986288/
Foto: © JIP Film