Als am Horizont die Sonne über dem Meer aufsteigt, kehren Adam (Tawfeek Barhom) und sein Vater vom Fischfang zurück. Weil ihre Mutter gestorben ist, erledigen die drei Brüder alle Haushaltsaufgaben, während die väterliche Autorität unmissverständlich Gehorsam und Zusammenhalt einfordert. Die Welt ist überschaubar geordnet in dem kleinen ägyptischen Küstenort, wo der Imam als moralische Instanz, als Religionsführer und als Ratgeber in Lebensfragen fungiert. Er ist es auch, der eines Tages dem jungen Adam einen Brief der Azahr-Universität aushändigt. Darin wird dem Fischersohn mitgeteilt, dass er zum Studium an die altehrwürdige Bildungseinrichtung aufgenommen werde. Diese gilt nicht nur als „Leuchtturm der islamischen Wissenschaften“, sondern auch als Zentrum des sunnitischen Glaubens. Und weil Adam seine Begabung von Gott erhalten habe, gibt auch der Vater dem Studierwunsch seines Sohnes den Segen.
Nach einer langen Busfahrt, die im Verkehrschaos von Kairo mündet, führt Adams Weg in eine davon abgetrennte, faszinierend neue Welt, wo Studieren und Wohnen, religiöse Unterweisung und Leben untrennbar miteinander verwoben sind. In der Abgeschiedenheit dieses Mittelpunkts, umgeben von Büchern und versunken in Gebeten wachsen das Wissen und der Glaube. „Vergiss nicht, wo du herkommst“, hatte Adams Vater beim Abschied gesagt. Jetzt, in der Enge des Schlafsaals, wird der angehende Student von einem Kommilitonen mit einem dazu gegensätzlichen Satz begrüßt: „Wer du bist, spielt keine Rolle, sondern nur, wer du sein willst.“ Bald darauf wird der bodenständige, zurückhaltende Adam von diesen Worten auf völlig unerwartete Weise eingeholt. Denn als unerwartet der Großimam stirbt, wird der gelehrige Schüler plötzlich in eine Rolle gezwungen, die bei ihm Unsicherheit, Misstrauen und Angst auslöst. In Gestalt von Oberst Ibrahim (Fares Fares) streckt nämlich der staatliche Geheimdienst seine mächtigen Hände aus, um den unerfahrenen Studenten für eine schmutzige Intrige zu gewinnen.
Zwar vermittelt Tarik Saleh in seinem Film „Die Kairo Verschwörung“ zunächst eindrückliche Bilder einer weitgehend unbekannten „Gelehrtenrepublik“, samt ihren Räumen und Ritualen; sein Hauptinteresse gilt aber den Machtkämpfen im Innern einer traditionsreichen Institution im Spannungsfeld zwischen staatlicher Einflussnahme und religiöser Autonomie, zwischen weltlichem und geistlichem Leben. Weil der Staat die Nachfolge des Imam manipulieren möchte, wird Adam als möglicher Spion rekrutiert und von Ibrahim durch Überwachung, Erpressung und politische Indoktrination gefügig gemacht. Immer tiefer wird der unschuldige „boy from heaven“, als den ihn der Originaltitel des Films apostrophiert, von der dunklen Seite der Macht zwischen die rivalisierenden ideologischen Fronten gezogen.
Im schier undurchschaubaren Dickicht der Interessen wird er zum Verräter und zum Spielball, bewahrt sich aber durch seine intellektuelle Stärke und moralische Integrität doch einen Rest von Unabhängigkeit. Tarik Saleh bettet Adams Verlust der Unschuld, seine heldenhafte Rolle als gewissenhafter Vermittler und seine schlussendliche Rückkehr zu den Wurzeln in einen spannenden und erhellenden Politthriller. Dieser gewährt Einblick hinter die dicken Mauern einer einflussreichen Institution und mündet in der Erkenntnis: „Die Macht ist ein zweischneidiges Schwert. Man kann sich leicht selbst daran schneiden.“