„Höchstens vier Wochen“ sollte der Krankenhausstreik 2022 in NRW dauern. Es wurden elf. Jonas Alter war von Anfang an dabei und hat einen beeindruckenden Film über den längsten Arbeitskampf im deutschen Gesundheitssystem gedreht.
Dominik sagt: „Ich arbeite in der Sterbebegleitung. Ich habe keine Zeit für die Sterbenden und ihre Angehörigen.“ Carola sagt: „Ich muss ständig einspringen. Ob per Mail, WhatsApp oder Anruf: Die Klinik lässt einen nicht in Ruhe.“ Und für Kira ist klar, dass die Klinikleitung vor das Arbeitsgericht zieht, um einen Streik zu verhindern. „Mit diesem Vertrauensbruch haben wir gerechnet.“
Die drei sind die Hauptdarsteller*innen in Jonas Alters dramaturgisch prima gebautem Dokumentarfilm „Höchstens vier Wochen.“ Er handelt vom größten Streik im deutschen Gesundheitssystem im Frühjahr 2022, der 79 Tage dauerte. Die Beteiligten hatten damit gerechnet, dass in „höchstens vier Wochen“ alles vorüber sei.
Aus dem Nichts ist dieser Arbeitskampf beim besten Willen nicht entstanden. Seit Ende der 1990er-Jahre wird am System der Krankenhäuser in Deutschland herumgebastelt. Gewinnträchtige Privatisierungen wie Massenentlassungen von Pflegekräften gehörten zum Instrumentarium, um das deutsche Gesundheitssystem zumindest für Investoren profitabel zu machen; vor allem durch das Konzept der Fallpauschalen, mit denen die Krankenhäuser einen festen Satz für bestimmte Behandlungen bekommen, was zu reiner Gewinnorientierung, zu Arbeitsverdichtung, Stress auf den Stationen und Fachkräfteflucht aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen geführt hat.
Die Beschäftigten der Unikliniken in Nordrhein-Westfalen wollten sich das zu Beginn des Jahres 2022 nicht mehr länger bieten lassen, gemeinsam kämpften sie mit gewerkschaftlicher Unterstützung nicht für mehr Lohn, sondern erstmals für mehr Personal. Sie forderten vor allem Entlastung. Es war ein Streik für ein besseres Gesundheitssystem und für eine bessere Versorgung – denn die Unterbesetzung von z. B. Rettungsstellen kann zu Todesfällen führen. Mehr als einmal erwähnen die Mitarbeiter*innen in Alters Film, dass gerade mal eine Pflegekraft pro Schicht in der Notaufnahme arbeitet – ein fahrlässiger Personalschlüssel, der Leben kosten kann. Es ging um genug Zeit, den Job richtig zu machen, genug Zeit, um nicht vor Arbeit verrückt zu werden.
Alter ist überall mit der Kamera dabei: bei Streikaktionen, Betriebsversammlungen, vor dem Arbeitsgericht, das die Uniklinikleitung Bonn bemühte. Deren Sprecher versucht zu begründen, warum man die Gerichte anrief. Die Einlassungen überzeugten die Pflegekräfte nicht – und auch nicht die Richterin. Am Schluss kam dann tatsächlich der Tarifvertrag Entlastung zustande, er enthält Bestimmungen zum Zeitmanagement, Belastungsausgleich, bessere Bedingungen für Auszubildende und dual Studierende. Vor allem wird die Einhaltung der Bestimmungen kontrolliert.
Ein mitreißendes Stück Dokumentarfilm darüber, dass sich Engagement immer lohnt. Es ist die erste Arbeit des jungen Regisseurs. So kann er gerne weitermachen!
Diese Kritik erschien zuerst am 17.02.2023 auf: links-bewegt.de