Das Spiel, mit dem der Film beginnt und endet und das insofern die Zeiten überdauert, ist eigentlich ein Nullsummenspiel. Es dient der puren kindlichen Lust und Freude, ist reines Spiel. Trotzdem gibt es Verlierer und Gewinner, wenn es darum geht, möglichst schnell eine große, bauchige Flasche mit Wasser zu füllen und dieses dann wieder in den Fluss zu schütten. Und weil in der Gewinner-Mannschaft ein Mädchen mitspielt, das angeblich nicht mitspielen darf, entzündet sich sofort ein Streit. Dieser eskaliert, als sich ein Junge namens Agim einmischt, um die hübsche Luana (Shkurte Sylejmani) zu verteidigen. Denn der Sohn aus einer Akademikerfamilie gilt in dem entlegenen Bergdorf im Norden Albaniens als Fremder, der nicht dazugehört. In dieser Eröffnungsszene, die 1958 spielt und in der die beiden jugendlichen Helden etwa 14 Jahre alt sind, finden sich also zwei Außenseiter, die sich fortan heimlich treffen. Zugleich etabliert Bujar Alimani in seinem epischen, mit folkloristischer Schönheit imprägnierten Film „Luanas Schwur“ damit ein konfliktreiches Spannungsfeld zwischen Tradition und kommunistischem Regime, zwischen religiösen Regeln und aufoktroyiertem Atheismus.
Eigentlich ist das Buch von Jack London, mit dem Agim seiner Freundin Luana Lesen lehrt und sie zugleich zum Träumen bringt, verboten. In der idyllischen Ruhe einer malerischen, weiten Gebirgslandschaft wachsen freundschaftlich und zärtlich die Gefühle der beiden füreinander. Doch ihre stille, manchmal etwas zu schwelgerisch inszenierte Vertrautheit erfährt ein jähes Ende, als die Macht der Tradition mit ihren ehernen Gesetzen ihr Recht unmissverständlich einfordert. Gegen ihre Gefühle wird Luana dem jungen Flamur, der aus einer befreundeten Familie stammt, versprochen. „Ein Versprechen gilt als Gesetz“, wird ihr beschieden. Und dieses Gesetz ist Teil des Kanun, eines mittelalterlichen Verhaltenskodex, der hier noch immer das Zusammenleben regelt. „Damit wir nicht wie Tiere sind“, sagt Luanas Vater und ergänzt: „Wir brauchen die Regeln, sie machen uns zu Menschen, egal wie grausam sie uns erscheinen mögen.“
Nach einem Zeitsprung ins Jahr 1968, in dem endlich die Hochzeit stattfinden soll, entspinnt sich aus dem klassischen Drama über eine unerlaubte Liebe schließlich eine spannende Rachegeschichte mit tragischer Note. Sehr deutlich und dadurch mitunter etwas zu zugespitzt setzt der albanische Regisseur ein patriarchales System in Szene, das Frauen in eine untergeordnete, dienende Rolle zwingt, während die Männer über deren Lebensschicksal entscheiden. Als nach einem tragischen Zwischenfall mit dem überheblichen und brutalen Heißsporn Flamur Luanas Vater getötet wird, beschließt die junge Frau (jetzt von Rina Krasniqi gespielt), eine sogenannte „Schwurjungfrau“ (Burrnesha) zu werden, fortan als Mann zu leben und als neues Familienoberhaupt das Erbe ihres Vaters anzutreten. Und das wiederum bedeutet nach den überlieferten archaischen Gesetzen zunächst und vor allem, Blutrache zu üben. Kein Weg führe daran vorbei. Und so entfaltet „Luanas Schwur“ zwischen schicksalhafter Determination und weiblicher Selbstermächtigung die Geschichte einer wehmütig grundierten Befreiung, die unter den Bedingungen der Gefangenschaft allerdings nur unvollständig sein kann.