Schönheit ist eine Währung. Beim Casting einer Modeagentur, für das sich lauter junge, gutaussehende, halbnackte Männer versammelt haben, kommt es außerdem darauf an, flexibel und anpassungsfähig zu sein. Dabei bestimmt das Image einer Marke die Passform, in die sich die makellosen Körper bereitwillig pressen lassen. Was die Models im Wettbewerb der Attraktionen verkaufen, ist eine Rolle, die vor allem am sozialen Status des potenziellen Kunden orientiert ist. Bei seiner Vorstellung wird das Männermodel Carl (Harris Dickinson) vom mehrköpfigen Gremium aufgefordert, bei seinem Walk einem inneren, imaginierten Rhythmus zu folgen. Mode sei Ausdruck einer inneren Haltung, die es zu vermitteln gelte. Außerdem rät man Carl, seine „trinagle of sadness“, also seine Sorgenfalte auf der Stirn, zu entspannen. Offensichtlich ist Carl nicht glatt, geschmeidig und formbar genug, um seine Rolle im Verkaufsspiel zu erfüllen.
In Ruben Östlunds preisgekröntem Film „Triangle of Sadness“, einer teils grellen Satire über die Macht des Geldes und die Mechanismen der Macht, ist Carl überdies der Mann, der ganz bildlich seinen privilegierten Platz in der ersten Reihe verliert, während seine schöne Freundin Yaya (Charlbi Dean) auf dem Laufsteg gefeiert wird. „Jeder ist gleich“, lautet das Motto der Show. Und gerade darum geht es Carl, wenn er beim Bezahlen einer Restaurant-Rechnung mit Yaya über Geschlechterrollen diskutiert. Zwar verdienen weibliche Models in Umkehrung der sonst üblichen Verdienstordnung mehr als ihre männlichen Kollegen; im gesellschaftlichen Rollenspiel wird dem Mann aber noch immer der Part des großzügigen Bezahlers zugewiesen. Als scharf beobachtete, analytische Versuchsanordnung ist das eine typische Östlund-Szene, mit der der schwedische Regisseur menschliche Verhaltensweisen seziert und in eine Inszenierung zwischen Nähe und Distanz übersetzt.
Ausführlicher noch kommt diese auf biologischen und soziologischen Parametern fußende Laborsituation im zweiten und dritten Teil des Films zum Tragen, der zunächst auf einer Luxusjacht, dann auf einer Insel spielt. Die hier versammelte Gesellschaft von Reichen definiert die sozialen Hierarchien mit ihren Grenzen und ihrem Machtgefälle. Während die willigen Servicekräfte mit der Aussicht auf hohe Trinkgelder motiviert werden, scheint die Unterordnung des Putzpersonals eine Selbstverständlichkeit zu sein. Dagegen herrschen unter den zahlungskräftigen Reisenden Langeweile, launische Spleens und pure Dekadenz. Ein russischer Oligarch (Zlatko Burić), der mit Düngemitteln handelt, bezeichnet sich selbstironisch als „König der Scheiße“ und liefert sich mit dem stets betrunkenen Kapitän (Woody Harrelson) einmal bei stürmischem Seegang ein bitterböses Zitate-Duell, bei dem die ideologischen Grenzen zwischen Kapitalismus und Kommunismus auf ebenso desillusionierende wie zynische Weise verwischt werden.
Einmal fordert die gelangweilte Oligarchen-Gattin (Sunnyi Melles) das Personal zu einem Rollentausch auf, was für Unruhe, Verunsicherung und einigen Irritationen sorgt. Als nach einem Angriff von Piraten das Kreuzfahrtschiff sinkt und sich einige Überlebende auf eine scheinbar verlassene Insel retten können, wird aus dem zuvor diktierten Spiel Ernst, weil plötzlich tatsächlich die angestammten Rollen und Hierarchien getauscht werden. In eng verzahnten Details und wie unter einem Brennglas untersucht Östlund dabei jene basalen Mechanismen und sozialen Verhaltensweisen zwischen Geben und Nehmen, die Machtstreben und Ausbeutung angeblich legitimieren.