Das Drama der Schuld, das zu Beginn des Films in einem verhängnisvollen Ehestreit seinen Ausgang nimmt, ist in warmes, orangefarbenes Licht getaucht, das schon in ein später dominant werdendes Rot spielt. Es fällt durch die Scheiben einer Londoner Hochhauswohnung, deren Transparenz in ihrer Charakteristik zwischen Nähe und Distanz jenen schicksalhaften Augenblick einfriert, der für Harper (Jessie Buckley) zum Trauma wird und sie fortan verfolgt. Ihr Mann James (Paapa Essiedu) hat sich von einem der oberen Stockwerke in den Tod gestürzt. Sein verzerrter, aufgespießter Leichnam, der durch spätere Rückblenden in diese Vorgeschichte sichtbar wird, erinnert an das Bild eines Gekreuzigten, dessen Selbstopfer allerdings nicht erlöst, sondern auf die vermeintlich Schuldige, seine Frau, mit dem Vorwurf deutet, sie sei lieblos und egoistisch. Noch in seiner stilisierten Selbstzerstörung hält der besitzergreifende James seine Frau im Klammergriff, indem er ihr alle Verantwortung zuweist.
Um Abstand zu gewinnen, flieht Harper aufs Land in ein altes, traumhaft idyllisches Haus, dessen Wände rot und weiß gestrichen sind. Auf der Fahrt dorthin taucht sie ein in das tiefe Grün der Wiesen und Wälder, um schließlich einen sakralen, paradiesischen Raum zu betreten. Begleitet wird sie dabei von einem „Love Song“, der den Film rahmt und in dem es heißt: „Love is the opening door“. Für Harper öffnet sich hier jedoch die Tür zu ihren Traumata und Ängsten. Indem sie beim Eintritt in den Garten Eden von der „verbotenen Frucht“ isst, verwandelt sich ihr Aufenthalt in einen von inneren Dämonen bevölkerten Albtraum voller Schreckensvisionen. Dessen Ausstülpungen und Ausprägungen visualisiert Alex Garland in seinem doppeldeutigen Horrorthriller „Men“ in atemberaubend schockierenden Bildern.
Die Inkarnation von Harpers Ängsten ist ein Mann, der zwar seine Gestalten, seinen jeweiligen Habitus und seine Professionen zwischen leutseligem Hausverwalter, übergriffigem Pfarrer, einem misogynen, verrückten Gaukler oder auch einem gleichgültigen Polizisten wechselt, aber stets von demselben Darsteller Rory Kinnear gespielt wird. Ihm begegnet die immer verzweifelnder und panischer werdende junge Frau in dunklen Angst- und Echoräumen, vor ihm flieht sie in eine zunehmende Ausweglosigkeit. In den vielfältigen Gesichtern und Fratzen dieses Mannes spiegeln sich Macht, Bedrohung und besitzergreifende Gewalt als archetypische Grundmuster seines Wesens.
Alex Garland übersetzt das in kalkuliert verstörende Bilder der Gefahr und des Todes. Diese kulminieren schließlich in Szenen eines phantastisch-surrealen Body Horrors, in denen der Mann zu jenem Ungeheuer mutiert, das sich fortwährend neu gebiert. Garland spannt dabei einen Bogen bis zu den Mythen der Antike. Als Wiedergänger seiner selbst erscheint der kriegerische Mann mit seiner zerstörerischen Macht als ewig unerlöste, fast schon mitleiderregende Kreatur.