Wie die vielen einzelnen Lichtpünktchen, aus denen sich der Filmtitel „Über die Unendlichkeit“ zusammensetzt, so ist auch Roy Anderssons neuer Film selbst aus lauter kurzen Episoden komponiert. In sich abgeschlossen wie einzelne Bilder oder Gemälde, werden diese Miniaturen auf der Erzählebene nur manchmal miteinander verknüpft. Ihr Zusammenhang und die Beziehungen, die diese in jeweils einer statischen Einstellung gedrehten Szenen miteinander eingehen, sind vielmehr motivisch und ästhetisch motiviert. Anderssons minimalistische Inszenierung akzentuiert dabei vor allem den jeweiligen Raum, der von der Kamera meist in einer tiefenscharfen Totale erfasst wird. Dieser wird bevölkert von überwiegend statuarischen Figuren, die sich schleppend oder langsam bewegen, die betont ausdruckslos und monoton sprechen und dabei öfters ihre Sätze wiederholen. Manchmal sagt auch eine Off-Erzählerin in einem knappen Satz, was wir im Bild bereits sehen.
In farblosen, fast aschfahlen Bildern zeigt uns der schwedische Meisterregisseur graue Menschen in einer grauen Welt und entwickelt in unscheinbaren, archetypischen Alltagsszenen, surreal anmutenden Visionen und markanten historischen Tableaus beziehungsreiche Ansichten über die menschliche Existenz. Zum motivischen Leitbild wird dabei ein verzweifelter Pfarrer (Martin Serner), der seinen Glauben verloren hat. In einem wiederkehrenden Alptraum sieht er sich in der Rolle des Gekreuzigten. Er sei von Gott verlassen, klagt er gegenüber seiner Frau. Angetrunken vom Messwein, torkelt er zum Abendmahl. „Wenn man seinen Glauben verloren hat, was kann man da tun?“, fragt er seinen Arzt, der keine Zeit für ihn hat und ihm Bescheidenheit empfiehlt: „Man muss damit zufrieden sein, dass man lebt.“
Roy Andersson zeigt die existentielle Verzweiflung von Menschen, die nicht wissen, was sie mit ihrem Leben wollen und dem Alkohol verfallen, die traumatisiert sind vom Krieg oder in der Weite der Landschaft rettungslos verloren sind. Der trockene, absurde Humor des Films und sein lakonischer Stil mildern allerdings die Härten dieses hoffnungslosen Ausgesetzt-Seins. Sein Thema sei „die Verletzlichkeit des Menschen“, hat der Regisseur dazu gesagt. Er zeige die Nöte des Menschen, um im Gegensatz dazu „die Schönheit des Lebens“ zu evozieren.
Das entrückt über den Ruinen der vom Krieg zerstörten Stadt Köln schwebende Liebespaar, das auch aus einem Gemälde von Marc Chagall stammen könnte, vermittelt diese fast schon utopische, jedenfalls überzeitliche Anmutung, in der die Unendlichkeit des Filmtitels aufgerufen wird. Von schwebender Leichtigkeit und ungezwungener Lebendigkeit zeugt auch der Tanz, den drei junge Mädchen vor einer Café-Terrasse im Vorbeigehen aufführen. Einmal zitiert ein Student etwas unscharf ein thermodynamisches Gesetz: Alles sei unzerstörbare, unendliche Energie. Diese werde immer nur umgewandelt, um sich in neuen Formen und Gestalten zu manifestieren.