Als ein “Portrait des 20. Jahrhunderts” und als “historisches Melodram” hat der Schauspieler und Regisseur Brady Corbet seinen zweiten Langfilm “Vox Lux” bezeichnet. Eingeteilt in zwei Akte unterschiedlicher Länge und Handlungsdichte, die von einer verstörenden Exposition und einem fulminanten Finale gerahmt werden, umfasst die erzählte Zeit knapp zwanzig Jahre. Dabei liegt die Konzentration auf der Jahrtausendwende sowie in der Gegenwart des Jahres 2017. Zwischen diesen Eckdaten vermittelt ein Off-Erzähler (Willem Dafoe), der sich zugleich als geschichtlicher Chronist und als Biograph der Popsängerin Celeste (Natalie Portman) verstehen lässt. Öffentliches und Privates, Politik und Individuum sind in seiner und damit Corbets Erzählung so eng miteinander verbunden, dass, so die These, dieser Austausch symptomatisch ist für die ganze Epoche beziehungsweise unsere heutige Zeit.
In „Vox Lux“ geht es deshalb vor allem um den Zusammenhang zwischen Popkultur und Gewalt, Konsum und Terror, was entfernt an Bertrand Bonellos thematisch verwandten Film „Nocturama“ erinnert. Als Überlebende eines Schul-Massakers im Jahre 1999 wird die 14-jährige Celeste (zunächst gespielt von Raffey Cassidy) mit einem Lied, das sie zusammen mit ihrer Schwester Eleanor (Stacy Martin) während eines Gedenkgottesdienstes singt, entdeckt und in der Folge als Superstar aufgebaut und vermarktet. Von der „Ära einer neuen Stimme“ ist die Rede. Dabei zeigt sich das Mädchen im öffentlichen Umgang mit seinem persönlichen Trauma sehr professionell und kooperativ. Celeste arbeitet ehrgeizig und präzise an ihrer Karriere und lässt sich dafür – und teils gegen den Willen ihres Managers (Jude Law) – bereitwillig vermarkten. „Hey, turn the light on, ‚cause I got no one to show me the way“, heißt es in dem Song, der die Wunden einer Erlösung suchenden Nation heilen soll. Doch dann kommt es zu den Terroranschlägen auf das World Trade Center.
In den Jahren, von denen Brady Corbet in seinem heterogen gestalteten Film nicht explizit erzählt, ist Celeste zu einer gefeierten Pop-Ikone geworden, die Erfolg und Ruhm offensichtlich mit privaten Krisen und Abstürzen bezahlt hat. In Gesprächen mit ihrer erwachsenen Tochter (wieder Raffey Cassidy), mit der Presse und ihrem Manager entsteht das Portrait einer gestressten, alkoholkranken Sängerin, die sich als Gefangene ihrer Popularität empfindet und sich deshalb zu verlieren droht. Zwischen der Sucht nach Ruhm und missionarischem Eifer, der Bearbeitung eines Traumas und der Suche nach Erlösung bleibt ihr Schicksal als Spiegel der Gesellschaft in Brady Corbets filmischer Verknüpfung allerdings etwas spekulativ. Celestes „Pakt mit dem Teufel“ als materialistischer Austausch zwischen Gefühlen und Geld, die narzisstische Selbsterlösung der gekränkten Seele in der medialen Verwertungsmaschinerie sowie die im terroristischen Akt vollzogene Aneignung von Macht- und kapitalistischen Symbolen des Erfolgs sind jedoch wichtige Bestandteile einer inhärenten Zeitdiagnose.