Oh, diese tiefe Leidensmiene. Die beherrscht Alexandra Maria Lara alias Antonia bestens – und muss sie immer wieder abrufen. Zu Beginn, in Lumpen gehüllt, im grauen sowjetischen Arbeitslager. Später in der weiß-bräunlichen, tiptop aufgeräumten DDR-Bude. Ja, selbst noch, als sie mit ihrem neuen Schwarm, dem Arzt Konrad (Robert Stadlober bewahrt trotz aller Seifigkeit ein Lausbubengesicht), in der Sonne Schlitten fährt, zucken ihre Mundwinkel melancholisch. Es ist aber auch ein schweres Schicksal, das den Deutschen widerfahren ist. Die einen hat der Nationalsozialismus in den Untergang gerissen. Die anderen mussten sich in der DDR Stalin unterwerfen.
Nun kann man diesem neuesten Geschichtsfilmerguss immerhin zugute halten, dass er die DDR nicht nur als Horrorstaat schildert und dem Begriff Kommunismus nicht alles unterordnet, was eine rote Fahne schwenken kann. Regisseur Bernd Böhlich ist selbst in der DDR aufgewachsen und arbeitete für das deutsche demokratische Fernsehen. Er weiß wohl zwischen Lenin, Trotzki und Stalin zu unterscheiden. Seine DDR ist denn auch differenzierter gezeichnet als beim hochgepamperten Westschnösel Henckel vom Donnerbalken, der Hitler und Honecker vermutlich nur an der Frisur auseinanderhalten kann.
„Und der Zukunft zugewandt“ bemüht sich wenigstens um Ausgeglichenheit. Hauptfigur Antonia ist eine gute Kommunistin und landete deswegen im Gulag. Nach ihrer Freilassung wird sie liebevoll in der DDR aufgenommen, muss aber über das erlittene Unrecht schweigen – zum Wohle des Sozialismus. Die Debatte über Transparenz, Selbstkritik und das Ertragen von Kontroversen im Kampf um eine bessere Welt ist gar nicht mal so dumm. Dumm nur, dass Böhlichs Drehbuch und vor allem die Inszenierung alles opernhaft aufblasen. Ramtatata – die Leidensmiene der Schmerzensmutter! Rumtumtumtum – ein heroischer Streit zwischen Sozialist, Obersozialist und Nicht-mehr-Sozialist! Dideldideldadeldidel – viel Sentimentales in der Arztpraxis wegen Antonias krankem Kind!
Und dann kommt er doch noch, der Vergleich zwischen Auschwitz und dem Gulag, zwischen Nationalsozialismus und Sowjetunion. Immerhin bricht ein DDR-Funktionär noch eine Lanze für die Singularität des Holocaust – bevor der Film weiter vor sich hin schwulstet.
Diese Kritik erschien zuerst in: KONKRET 09/2019