Die ersten Bilder sind grün. Sie zeigen üppig wuchernde Pflanzen und saftiges Gemüse. Was auf den ersten Blick wie ein paradiesischer Garten anmutet, ist tatsächlich eine Art Gewächshaus. Bald darauf erfahren wir, dass dieses offensichtlich der Selbstversorgung dient und integraler Bestandteil eines Raumschiffes ist. Lediglich zwei merkwürdig verschiedene Menschen scheinen an Bord zu sein: Ein Mann und ein Kleinkind.
Während der Astronaut außerhalb der Station mit Reparaturen beschäftigt ist, sitzt das Mädchen in einem Laufstall und folgt den Bildern, die auf zwei Monitoren zu sehen sind. Leer und verwahrlost wirkt das Ambiente, in dem sich kurz darauf Vater und Tochter begegnen. Liebevoll und zugleich streng kümmert sich Monte (Robert Pattinson) um die kleine Willow. Dann betritt er einen Raum, in dem Leichen aufgebahrt sind; diese bugsiert Monte kurz darauf aus dem Raumschiff. Wie geheimnisvolle Skulpturen schweben sie in der dunklen Weite des Alls. Jetzt sind Monte und Willow wirklich allein.
Eine starke, von düsteren Sounds durchzogene Atmosphäre grundiert Claire Denis‘ neuen Film „High Life“, der sich auf sehr unkonventionelle Weise dem Science-Fiction-Genre einschreibt. Dabei verzichtet die renommierte französische Regisseurin auf eine chronologische Erzähldramaturgie. Stattdessen verknüpft sie in einer schwebenden assoziativen Montage verschiedene Zeitebenen der ferneren und näheren Vergangenheit, die schließlich von einer ungewissen Zukunft verschluckt werden. Diese offene, kunstvoll komponierte Form übersetzt die Unendlichkeit des Raumes in eine Diskontinuität zeitlicher Erfahrung. Mögliche Zusammenhänge stellen sich so erst nach und nach ein. Dazu ergänzen wechselnde Stimmen aus dem Off den Strom der Bilder mit inneren Monologen. Die konstante Bewegung durch Raum und Zeit verdichtet sich so doch noch zu einer fragmentarischen Geschichte.
Kurz bevor sich das Leben auf der Erde seinem Ende zuneigt, haben sich die Insassen des Raumschiffs auf eine Reise ans Ende der Zeit begeben: auf eine Mission zum „schwarzen Loch“. Für dieses „Erste-Klasse-Selbstmordkommando“ wurde eine Gruppe von zum Tode verurteilten Verbrechern beiderlei Geschlechts zwangsrekrutiert. Angeführt von der Ärztin Dr. Dibs (Juliette Binoche), die einst ihre Familie ausgelöscht hat, dienen diese als „Versuchskaninchen“ für die Reproduktion menschlichen Lebens. Doch unter den Bedingungen der Weltraumstrahlung scheint eine Fortpflanzung nicht oder nur eingeschränkt möglich. Zudem verweigert sich Monte der Abgabe seines Spermas, wir aber schließlich von Dr. Dibs heimtückisch missbraucht und seines Samens beraubt.
Intensiv und verstörend vermischt Claire Denis Motive des Endzeitfilms mit Phantasien weiblichen Begehrens. Im verzweifelten, zwischen Verlangen und Zurückweisung changierenden Kampf um Befruchtung und Fortpflanzung, der schließlich auch zu Gewaltexzessen unter den Probanden führt, werden Blut, Sperma und Milch zu Symbolen des sterbenden Lebens. In einem Augenblick erscheinen Uterus und Universum, Anfang und Ende identisch. Bis schließlich alles Dunkle in einer gleißenden Helle verglüht.