Jay Roach ist ein Regisseur von Komödien. Am bekanntesten sind seine Trilogien: Der Dreiteiler rund um Retro-Spion Austin Powers, mit kauzigen Kreativteams, heimlich im Kampf gegen Verschwörung, und der „Meet the Parents bzw. Fockers“-Zyklus, mit kauzigen Familien, verkrampft im Heim unter Überwachung. Freakteam und Familie: Diese beiden Gemeinschaftstypen kombiniert nun „Trumbo“, Roachs bislang biederster Film: Milde Kauzkomik, rührselige Sager und gesetzte Sophismen in Schuss-Gegenschuss ergeben die Biografie eines Drehbuchautors im Modus eines Drehbuchfilms.
Dalton Trumbo (1905-1976) war einer der vielen Filmschaffenden im Visier der antisemitisch getönten Kommunistenhatz im Amerika der späten 1940er und 1950er Jahre. Nach öffentlicher Diffamierung, nach kurzer Beugehaft wegen Missachtung des Kongresses, vor dessen Unamerican Activities Committee er zum Schauprozess geladen war, und aufgrund seiner weiteren Standhaftigkeit in Sachen naming names (Weigerung, andere potenzielle Verfolgungsopfer preiszugeben) wurde er blacklisted. Infolge dieses informellen Berufsverbots musste er Drehbücher unter Pseudonym schreiben: zahllose B-Film-Scripts für wenig wählerische Poverty Row-Produzenten wie auch Drehbücher, für die Strohmänner an seiner Stelle den Oscar bekamen („Roman Holiday“ bzw. „The Brave One“).
Trumbo, das Genie mit Stress und Doppelleben spielt (Oscar-nominiert) Bryan Cranston. Daheim in der Badewanne braut er Plots, nicht Meth; Suchtgifte – Whisky, Nikotin, Benzedrin – dienen hier als Schreibhilfe. Einen „Swimmingpool-Sowjet“, also einen Salonbolschewiken, der an seinem privaten Reichtum hängt, nennt ihn ein linksradikalerer Freund. (In der fiktiven Figur Arlen Hird, gespielt von Louis C.K., sind einige reale Akteure aus seinem Umfeld zusammengefasst.) Dass Trumbo in erst großem, dann durchs Berufsverbot bedrohtem Wohlstand lebt, dieser Umstand stellt hier die Bedingung der Erzählbarkeit seines Lebens dar: „Trumbo“ ist mehr das Selbstbehauptungsdrama einer weißen Mittelschichtsfamilie, deren Fähigkeit zum Zusammenhalt unter Außendruck auf Proben gestellt wird, denn Politkino.
Anfangs bereden Trumbo und seine kleine Tochter das allfällig Gute am Kommunismus: Dass der Film den Vater nicht zerknirscht sein oder abschwören, sondern in entwaffnend naiver Logik den Kommunismus als eine Sache des Teilens, etwa von Schulpausenbroten, hinstellen lässt („So maybe there’s something of a litttle communist in you“, sagt er der Kleinen), das zählt zu den ideologisch leiwanderen Momenten des Films; ebenso eine Gefängnisszene zwischen Trumbo und einem African American Mithäftling, in der eine selbstgerecht-weiße Bildungsbürgerprojektion von schwarzem Bildungsnotstand aufgeblattelt wird (im Sinn von: Der wohlmeinende Linksintellektuelle soll jetzt bitte ja nicht glauben, dass er sich gut fühlen kann, indem er da jemandem das Schreiben beibringt). Gegen Ende wird Trumbo rehabilitiert durch Kirk Douglas und Otto Preminger (gespielt von einem plausiblen Lookalike respektive von Christian Berkel, der den Regieexzentriker und vormaligen Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt mit seltsamerweise eher russischem Akzent anlegt): Dass Trumbo als Autor bzw. Co-Autor der Scripts zu den Monumental-Freiheitskampfdramen „Spartacus“ und „Exodus“ öffentlich genannt wird, läutet mit das Ende der Blacklist ein. Ganz am Schluss, der 1970 spielt, verkündet Trumbo im Monolog bei einer Ehrungsgala, endlich dürfe seine Tochter wissen, wer ihr Vater wirklich ist.
Ja, so waren sie halt – The Way We Were: Männlich ist in „Trumbo“ das sanft freakige Kreativmilieu der schrulligen Trash-Producer (um John Goodman), der mit sich ringenden Hollywoodpromis (Lookalikes von Edward G. Robinson, John Wayne, Louis B. Mayer) und verfemten Autoren, die im Kollektiv unter Strohmann-Namen dahintippen. Weiblich ist hier, wer offenbar die Hauptschuld an der Blacklist trägt, die rechte Showbiz-Klatschkolumnistin Hedda Hopper, gespielt von Helen Mirren. Ihre plakativen Bosheitsszenen überstrahlen die Rollen von Frau und Tochter Trumbo (Diane Lane, Elle Fanning) und geben zu verstehen, dass Faschisierung nicht weniger als das Werk einer frustrierten Fuchtel ist. Na, sicher doch. (Vereindeutigender Klammersatz: Das ist schlecht, weil sexistisch.)
Insofern hat der Film heutigen Menschen, die in europäischen Staaten derzeit oder demnächst vergleichbare Erfahrungen machen könnten wie Trumbo und (Zeit-)Genossen, zu wenig zu sagen – zu wenig über institutionelle, soziale, (arbeits)rechtliche oder andere politisierte Dynamiken. Und anders als bei Hollywoods Blacklist- und Kommunistenhatz-Rückblick-Filme der 1970er (etwa „The Way We Were“ mit Streisand und Redford oder „The Front“ mit Woody Allen), die einem Publikum in diffus-linksliberaler Kulturhegemonie eine rezente heroische Vorgeschichte ihres eigenen autoritätsskeptischen Habitus bieten konnten, stellt sich hier überhaupt die Frage, was für eine Rezeptionshaltung „Trumbo“ anpeilt; vorausgesetzt, dass einem Großteil seines Publikums der Name der Hauptfigur wenig sagt – zumal er mit Elefant Dumbo oder Elephant-Party-Leider-Kandidat Trump verwechselt werden könnte. Über Letzteren macht Cranston im Interview sympathisch kritische Aussagen, in denen er auch Parallelen zur Feindbildpropaganda von McCarthy-Amerika betont. Ultimativ aber ist „Trumbo“, was sein Bild/Konzept von Geschichte angeht – so wie auch die im Cast (Cranston und Goodman in Nebenrollen) bzw. im Thema (Tinseltown in 1950er Kommunistenpanik samt Tilda als Doppel-Hedda) vergleichbaren „Argo“ und „Hail, Caesar!“ –, doch nur ein Exemplar der anhaltenden retrocinephilen Welle gediegener Arbeitsplatzkomödchen über die liebenswerten Marotten von (Groß)Papa und seinem Kino.
Diese Kritik erschien zuerst in: filmzentrale