Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Nun ist das Wort aber beim Mann, oder vielmehr: Der Mann ist im Wort und mit ihm und in ihm. Der erste Mann, der hier das Wort ergreift, ist aber der falsche Mann. Denn er ist des gesprochenen Wortes nicht so mächtig wie der eigentliche Mann seines Wortes. Dieser Mann des Nichtwortes heißt Wim Wenders, und er salbadert in seinem ersten abendfüllenden PR-Film eher ungelenk und abgehackt über die Übel dieser Welt. Ein bisschen wie ein evangelischer Pfarrer (dabei geht’s hier doch um den Papst!): Klimakatastrophen, Hunger, Armut, Umweltzerstörung. Alles schlimm, alles bedrückend. Ein Übel vergisst er dabei dummerweise – den Kapitalismus. Vermutlich war er zu aufgeregt beim Sprechen, da kann das schon mal passieren. Freundlicherweise verabschiedet sich der Mann des Nichtwortes dann vorübergehend und lässt endlich den Protagonisten zu Wort kommen – den Mann seines Wortes, Papst Franziskus.
Der hat das mit dem Wort von der Pike auf gelernt. Die Jesuiten haben schließlich schon kurz nach ihrer Gründung das Theater, eine Hochburg des kunstvoll gesprochenen Wortes, für sich entdeckt und so sehr perfektioniert, dass die gesprochenen Worte oft zu Spontanbekehrungen der Zuhörer führten. Diese wird Wenders’ Der-Papsterklärt-die-Welt-Doku freilich nicht bewirken. Zwar umgarnt sie den Zuschauer mit Bildern herrlicher Kunstwerke, vielen Jubelszenen und langen Reden in weichem Spanisch und musikalischem Italienisch. Doch wirkt das Wort eben stärker, wenn es unmittelbar erklingt und nicht mit Kitschmusik unterlegt ist oder wenn es im Rahmen einer Analyse fällt und nicht im Zuge einer Predigt.
Dabei besitzen die Worte des Mannes, der einer seines Wortes ist, durchaus ihre Relevanz. Das Dumme ist nur: Selten darf er die volle Wahrheit sagen. Amtsbedingt kann er sie meist nur andeuten. Manchmal blickt er auch an der vollen Wahrheit vorbei, weil er immer noch nicht ahnt, wie ungöttlich die Weltgesellschaft ist. Helfen kann da nur ein anderer, ein dritter Mann. Der schrieb seine vielen Worte auf Tausenden von Seiten nieder. Einige wenige Sätze widmete er auch der Zunft des Mannes seines Wortes: Sie sei „der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist“. Ende der Worte.
Dieser Text erschien zuerst in: KONKRET 06/2018