Adam McKay ist ein Guter, denn als Drehbuchautor und Regisseur erforscht er die Bösen in einer sehr heutigen Gestalt: Seine Nullerjahre-Komödien, die Will Ferrell mit zum Star machten („Anchorman“ 1 und 2 oder „Stepbrothers“) waren irrwitzige Analysen des umfassend deregulierten Kind-Mann-Typus an der Macht, seiner narzisstischen Rituale und seiner enthemmten Somatik.
In dem oscarnominierten satirischen Biopic „Vice – Der zweite Mann“ über US-Vizepräsident Dick Cheney, der für – und auch bei – George W. Bush die Fäden zog, kommen da noch einige Spezifika hinzu: Bubenexzesse aus den verlotterten Jugendjahren wollen in eine Rolle als brachialer Beschützer überführt sein, wie sie Frau Cheney (super wie immer: Amy Adams) von ihrem Mann einfordert; oder auch in eine große Karriere, mit der „Bush’s boy“ (Dialogzitat) seinen Ex-Präsidenten-Daddy endlich stolz machen kann. Vice heißt Vize und Untugend.
Cheneys heiser gepresstes Flüstern und Knurren, der säurliche Singsang seines Mentors und Kriegsministers Rumsfeld, Bushs eitle Einfalt mit hochgelagerten Füßen – im Sound und Haberer-Habitus der Neocons spielen groß auf: Steve Carell, Sam Rockwell und in der Titelrolle bereits mit einem Golden Globe versehen Christian Bale, der ironischerweise die Beschützer-Ikone der Bush-Ära verkörpert hatte. (Google: „Batman“, Rächer, Ausnahmezustand)
Zu den Gesprächsszenen voll entwaffnender zynischer Offenherzigkeit entfalten – wie schon 2015 in McKays Finanzkrisenprofiteurspanorama „The Big Short“ – verfremdende Didaktiksequenzen ihre Kontrastgrooves: Shakespeare-Rezitation der Cheneys im Ehebett, ein Abspann mitten im Film (sarkastisch: Jetzt geht’s erst richtig los mit dem Beschützen der Bevölkerung), Miniaturen von Regierungsbüros (derer Cheney viele hat, vernetzt in alle Institutionen und Gremien hinein), schließlich eine Menü-Bestellung – der Vize und sein konspirativer Stab lassen sich in Sachen War on Terror das volle Programm servieren – und leitmotivische Testpublikumssettings, in denen Demokratieexport-freudige und neoliberale Keywords geprägt werden. Die dienen zum Ködern (auch das ein Leitmotiv dieses Films über einen passionierten Angler) von Öffentlichkeiten: „Massenvernichtungswaffen“ im zu erobernden ölreichen Irak, „erweiterte Befragung“ statt Folter, „Klimawandel“ statt Erderhitzung, „death tax“ statt Erbschaftssteuer. Manches von diesen Erfolgsformeln wirkt auch anderthalb Jahrzehnte später und in hiesigen Breitengraden arg vertraut. Das gilt auch für Cheneys Bestreben, sich das Verfassungsrecht so zurechtbiegen zu lassen, dass die Durchgriffe der Exekutivgewalt von demokratischen Gewaltenteilungsverfahren abgekoppelt werden. (Google: „Kickl“, Innenminister, Wien).
Der Rahmenplot mit einem Erzähler, der aus Intimkenntnissen der Titelfigur heraus Worte spendet und noch mehr – das ist in diesem vielspurigen, rhythmisch beschwingten, politisch pointierten Film Bestandteil einer Generalmotivik des Blicks ins Herz der Macht. Da geraten noch Infarkte zu einem weiteren Routineritual unter Burschen (wie einst bei McKay die Selbstmitleidsexzesse eines Ron Burgundy oder Ricky Bobby), und das Besprechungszimmer zeigt sich als Herzkammer von Affektpolitik. Dieser Film ist ausgesprochen lehrreich, lustig und leiwand. (Google: „prima“, Dialekt, Wien)