Ist etwa schon wieder Postmoderne? Kinder, wie die Zeit vergeht! Also, sie vergeht eh nicht so schnell, denn vielleicht ist ja noch Nineties, also sind schon wieder Seventies, jedenfalls ist es alt aber schrill, sonnig-bunt – wir sind in Los Angeles – und auch nächtlich rätselhaft. In der Pop-Hommage-Mystery-Farce „Under the Silver Lake“ ist alles Spur, vieles Spaß und Spannung auf Sparflamme gesetzt. Das ist kein Mangel, mehr ein Resultat des hier filmprägenden Taumelns in Traum und Trance: Ein fetischistisches Flechtwerk aus Verweisen und Anziehungen zerfasert in nichts – oder in Nichtigkeitstiraden wie in der langen Schlüsselszene mit The Songwriter, eine eitle greise Autorität, auf die – so sagt sie überzeugend – jeder Hitsong, überhaupt alle Popkultur mit ihren Medien und Messages zurückgeht.
Crazy das? Na, sowieso. Aber auch vertraut, denn es wird wild zitiert: Old Hollywood auf Videoband, Kurt Cobains Gitarre, James Deans Büste, die Grabsteine von Alfred Hitchcock und Janet Gaynour (der Lady Gaga der Erstverfilmung von „A Star Is Born“ übrigens), weiters ein Hobo-Code, rückwärts abgespieltes Vinyl, eine Müslipackerl-Schatzkarte und diverse alte Fanzines. Zitieren ist normal. Spooky wird’s hier, wenn der Dogkiller oder die Eulenfrau umgehen. Sie treten in einer schwarzweißen Retro-Comic-Animation auf (deren Images auch den Abspann zieren) und sind Teil einer stadtübergreifenden Verschwörung oder auch nicht.
Regisseur David Robert Mitchell ist versiert in Atmosphäre (hier: die Bernard Herrmann-hafte Musik zu langsamen Kamerafahrten – ein Sog ins Leere, aber immer noch ein Sog) sowie in Sachen Zine und Zeit: Seine Filme, zuvor das Teenie-Teasing-Ensemblestück „The Myth of the American Sleepover“ (2010) und der Paranoia-Grusler „It Follows“ (2014), lassen immer halboffen, wann die jeweilige Story bzw. der jeweilige Urban Myth spielt. Stets kommen im Plot alte Sexhefte vor, diesmal auch als Wixvorlage des sich als Amateurdetektiv betätigenden Helden – und in einem Szenesoziotop kesser Girls Fatale (u .a. Riley Keogh, Callie Hernandez). Da kannst du nur sagen: I werd noirish, Parallax lax am Mulholland Drive. Das ist leider eine Buberlfantasie. Aber dafür ist das torkelnd tänzelnde Schlurfbuberl (Andrew Garfield) im Handlungszentrum, ob im T-Shirt oder Pyjama, einmal auch nackt (und über weite Strecken mit Skunkdrüsensekret verstunken) beim Rätseln so sympathisch wie dieser ganze lecker Slacker-NeoNoir. Doc Sportello winkt mit einem Long Goodbye. Im Abspann erklingen REM, auf einer Party Cornershop, den König der Obdachlosen, der vieles weiß und manches preisgibt, spielt David Yow, vor drei Jahrzehnten Sänger der tollen Konzept-Noise-Grungeband The Jesus Lizard. In noch kleineren Nebenrollen starren uns Gesichter an, die der einen oder dem anderen vielleicht aus Lynch-Filmen oder „Zodiac“ nachhängen.
Wie hängt das zusammen? Irgendwie. Und zwar alles. Alle schauen allen nach, gehen allem nach. „Who’s not being followed these days?“ heißt es einmal vielsinnig im Dialog. Daraus folgt: L.A. ist voller Follower, die Stadt ist doppelbödig, Hollywoods Hügel sind hohl, und die hier am Ende ausgebreitete Irrwitz-Idee, dass alte reiche Säcke ihre konspirative Allmacht ausleben, indem sie sich unter die Erde vertschüssen (anstatt sich urbanen Raum neofeudal unter den Nagel zu reißen), hat fast etwas Tröstliches.