„Unbreakable“ ist ein schwieriger Film. Dabei könnte alles so einfach sein: Das ist halt der Nachfolger von „The Sixth Sense“. Wie vor einem Jahr spielt Bruce Willis in der Regie von M. Night Shyamalan (diesmal in der „Die Hard 3“-erprobten Traumpaarung mit Samuel L. Jackson); wieder ist Philadelphia der Ort mysteriöser Begebenheiten in schwermütiger Stimmung. Und nicht zuletzt startet auch „Unbreakable“ als Film, dessen Timbre und Thema sich gut in die eventförmige Massenbesinnlichkeit dieser Tage einfügen. Das gilt – wenn man die Sache mit der Kontextabhängigkeit von Sinngebung ganz weit treibt – hierzulande (in Österreich) in besonderem Maß: „Sixth Sense“ brachte geistreich Licht ins Dunkel eines Kinderherzens, indem seine „therapeutische“ Erzählung von der bangen Frage „Ist da jemand?“ zur Trauerarbeit führte; in „Unbreakable“ ist ein Zugsunglück mit vielen Todesopfern Ausgangspunkt einer krisenhaften Sinnsuche, die ins Mystische zielt. Während allerdings im Austro-Staats- und Medien-Event „Kaprun“ das völkische Ganze zum Allerheiligsten eines Totenkults wurde, handelt Shyamalans Mystik vom Werden einer Erlöserfigur.
Willis spielt einen Familienvater und Angestellten beim Sicherheitsdienst eines Stadions, der als einziger und völlig unverletzt eine Zugskatastrophe überlebt. In der Folge will ein exzentrischer Comic-Sammler (Jackson) ihm weismachen, er sei unverwundbar, gar ein Auserwählter – nach Art der Superhelden in den einschlägigen Heftln und, so sei ergänzt, der messianischen Rettergestalten heutiger Erfolgsfilme, von „Terminator 2“, „Matrix“ und „Star Wars“ bis „Lola rennt“. Wie deren HeldInnen – und wie der Bub, der nicht weiß, dass sein sechster Sinn die Toten erlösen soll – lernt Willis mühevoll, seine Mission zu akzeptieren und zu erfüllen.
Zum Eintritt des Erlösers in die Geschichte bedarf es günstiger „Konstellationen“; das behaupten Judentum, Christentum und Satanismus, Walter Benjamins messianische Geschichtsphilosophie und die Pop-Mystik des Comic-Exegeten: Willis, der „Unzerbrechliche“, hat sein für ihn bestimmtes Gegenüber in „Mr. Glass“, wie der an „Glasknochen“-Krankheit leidende Jackson als Kind genannt wurde. Deren Begegnung wird nicht als Initiationsritus erzählt; vielmehr arrangiert der Film – quälerisch langsam – Bilder und Worte zu Konstellationen, deren Sinn sich oft nachträglich, in einem Aufblitzen erschließt. Aus Andeutungen und Abbrüchen, Reflexionen und Rückblenden, in hartnäckig „verstellten“ Perspektiven wird Willis sich selbst und uns als Superhero erkennbar. Auf einmal ragt ein Rächer in Kapuze und Regenmantel mit der Aufschrift „Security“ in die Nacht und aus dem Lauf der Dinge heraus; bald darauf erfolgt das Ende so brachial und abrupt, dass es unweigerlich zum Kommentar des surprise ending von „Sixth Sense“ gerät.
All das ist schwierig anzusehen und einzuschätzen. Die Geister der US-Filmkritik und der Internet-Cinephilie scheiden sich daran in Ärger über prätentiösen Blödsinn und Jubel über künstlerische Genialität. Beide Ansichten haben etwas für sich; ihre Vorausetzung jedoch liegt in Shyamalans Abweichung von Hollywood-Normen für die Verwertbarkeit und Unterhaltsamkeit eines Films. Schon sein Vorgängerfilm war keine Gaudi; „Unbreakable“ verweigert uns nun auch Schock und Erleuchtung. Dafür stemmt Willis Gewichte: Lächerlicher hat superheroisches Körperpathos selten ausgesehen. Und das ist super. Nicht als um Tiefsinnigkeit bemühte „Kunst“ ist „Unbreakable“ bemerkenswert, sondern als genuin missglückter Blockbuster – ein Sonder-, vielleicht Glücks-, jedenfalls aber Problemfall für unsere Wahrnehmung und Erwartung.
Diese Rezension erschien zuerst in: Falter 51-52, Dezember 2000 (Wien)