Jede Minute werden 500 Stunden Video- und Bildmaterial auf YouTube hochgeladen. Auf Facebook sind es 2,5 Millionen Posts und 450.000 Tweets auf Twitter. Löschen oder im Internet lassen? Diese Frage stellen sich Content-Moderatoren täglich um die 250.000 Mal und kontrollieren, was wir im Netz sehen und was nicht. Ihre Aufgabe ist es, sich tagtäglich durch Texte, Bilder und Videos zu klicken, um pornographische Szenen, Enthauptungen, verfassungsfeindliches Material oder den Penis von Donald Trump auszusieben. Die mies bezahlten Angestellten dort entscheiden mit einem Klick darüber, was mehr als zwei Milliarden Facebook-User auf diesem Planeten in ihrer Filterblase zu sehen bekommen. „Wir müssen verhindern, dass sich der Hass in den sozialen Medien verbreitet“, sagt eine ehemalige Gatekeeperin. Eine Verantwortung, derer sie sich am Anfang der Unterzeichnung ihres Arbeitsvertrags nicht bewusst war.
Diese Schattenwelt ist eine große Outsourcing-Industrie auf den Philippinen. Firmen, die mit Usergenerated Content arbeiten wie Facebook, Youtube, Twitter, LinkedIn, haben ihren Sitz in der philippinischen Hauptstadt. Hier in Manila arbeiten junge Leute, die täglich aus den Slums in die Stadt pendeln und für diese Firmen arbeiten. „Ein sozialer Aufstieg auf den ersten Blick, könnte man denken. Doch hier handelt es sich um eine wirkliche Schattenindustrie“, so der Produzent des Dokumentarfilms, Georg Tschurtschenthaler. Neben weiteren kleineren Standorten wie Berlin, Warschau oder Dublin, ist Manila Welthauptstadt dieser Industrie mit zehntausenden von Arbeitern. „Hier herrscht extreme Geheimhaltung. Facebook beschäftigt Unterfirmen. Mitarbeiter, die für diese Unterfirmen arbeiten, dürfen offiziell nicht über ihren Job sprechen und müssen bei der Einstellung direkt eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben“, erklärt der Produzent. Auch in der Brutstätte Silicon Valley, einer der bedeutendsten Standorte für IT- und High Tech-Industrie weltweit, herrscht eine Schweigespirale und Unwissen. Es dauerte Wochen bis die Regisseure erste Einblicke in die Welt und das System bekamen, denn offiziell sind Firmen wie Facebook nicht unter diesem Namen in Manila bekannt. Mittlerweile verlassen immer mehr Arbeiter diese Blase.
In Manila gibt es weder eine lange Einarbeitungszeit noch Aufklärung über die ausführende Tätigkeit. Worauf sich die Arbeiter bei diesem Job einlassen, wissen sie vorher nicht wirklich. Diese Art von Arbeit ist brutal für den Geist und führt manche Mitarbeiter sogar in den Suizid. Doch der Content wird nicht weniger. Die digitale Welt wächst weiter rasant an. „Das gibt es alles noch nicht so lang. Erst durch die Smartphones ist das Problem so richtig akut geworden, jetzt wo jeder einfach und schnell Videos drehen und hochladen kann“, meint Tschurtschenthaler.
In „The Cleaners“ wird das gezeigt, was viele über soziale Netzwerke ahnten und dennoch ist das Ausmaß dieses Systems erschreckend. Durch das vertraglich festgelegte Regelwerk „Löschen“ oder „Ignorieren“ wird nicht nur das Userverhalten kontrolliert, sondern gefährdet durch die Zensur auch unsere Demokratie. Wenn mit einem Klick und unter Zeitdruck entschieden wird, was in den sozialen Netzwerken zu sehen ist, wird die Meinungsfreiheit immer mehr in die Schranken gewiesen. Kunst und Satire werden step by step ausgelöscht. Ist es wirklich sinnvoller, bestimmte Bilder und Videos den Zuschauenden nicht zu zeigen? Vielleicht hat Tschurtschenthaler Recht damit, dass wir auch solche Bilder sehen sollten. „Nur weil und manche Bilder nicht erreichen, heißt es nicht, dass das alles nicht in Wirklichkeit passiert“.