Unruhig flattert ein Drachen im Wind, schwankend in der Brise, die vom Meer her kommt. Im geglückten Moment erscheint das Schwere leicht. Und doch kann der schwebende Papier-Vogel in einem Augenblick abstürzen, ist der ganze luftige Zauber fragil. Die Kraft, die ihn trägt, kann ihn ebenso gefährden. In Emily Atefs preisgekröntem Film „3 Tage in Quiberon“ über Romy Schneider kann man dieses Eröffnungsbild als Metapher nehmen für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz. Wenn kurz darauf die Protagonistin von hinten gezeigt wird, an den äußersten rechten Bildrand gedrängt, ist das zugleich ein Hinweis auf ihre Isolation und Einsamkeit, die in eine Spannung gesetzt werden zum Blick in die Weite und den dort vielleicht aufscheinenden Möglichkeiten. Tatsächlich hält sich die berühmte Schauspielerin, grandios verkörpert von Marie Bäumer, im Frühjahr des Jahres 1981, für eine Erholungs- und Entgiftungskur im titelgebenden Ferienort in der Bretagne auf. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit und auf strenge Diät gesetzt, will sie für sich und ihre Kinder „nüchtern werden“.
Gequält von Sorgen, die sie mit einem übermäßigen Alkohol- und Tablettenkonsum bekämpft, leidet die vielbeschäftigte Schauspielerin unter den Konflikten einer berufstätigen Mutter, die ihre Arbeit liebt und braucht und zugleich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchte. In dieser äußeren und inneren Situation, die Emily Atef eher implizit vermittelt, erhält Romy Schneider Besuch von ihrer fiktiven Jugendfreundin Hilde Fritsch (Birgit Minichmayr), die sich besorgt um sie kümmert. Tiefe Verbundenheit und gegenseitiges Vertrauen sind spürbar, wenn die beiden zusammen ein Bad nehmen oder Hilde ihre Freundin in den Schlaf wiegt. Diese intime Zweisamkeit wird empfindlich gestört, als der Stern-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) und der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner), der Romys Vertrauen genießt, für ein exklusives Interview eintreffen.
Dieses in Wort und Bild dokumentierte historische Treffen dient Emily Atef als Anlass für ihr Portrait der Künstlerin als ein verletzlicher, in seinen Widersprüchen gefangener Mensch. Die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Person, zwischen fiktiver Figur und realem Leben hat dabei besonderes Gewicht, wenn Romy gleich zu Beginn des suggestiv geführten Interviews sagt: „Ich bin nicht Sissi. Ich bin Romy Schneider. Ich bin nicht meine Rollen.“ Gegenüber Jürgs zunächst manipulierenden, gar übergriffigen Fragen behauptet die ebenso dünnhäutige wie redselige, offen mitteilungsbedürftige wie verletzliche Schauspielerin ihr Recht auf eine eigene Identität und ein eigenes „normales“ Leben. Mit ihrer ehrlichen, ungezwungenen Art, die nach Austausch und Ausgelassenheit strebt, aber immer wieder in die Ernüchterung und den Zusammenbruch führt, kann sie schließlich auch Jürgs für sich einnehmen. Ihr offensichtlich mehr als väterlicher Freund Lebeck nutzt wiederum diese Gefühlsschwankungen für seine intimen Fotos. In Schwarzweiß aufgenommen, haben diese Emily Atefs konzentriertem, durch seine intensive Nähe einnehmendem Kammerspiel als Inspirationsquelle gedient.