Die Black History-Lektion in Form eines animierten Murals zu Filmbeginn bleibt kurz, ebenso das staatsmachttaktische Vorspiel und das juridische Nachspiel zu einer Nacht voll tödlicher rassistischer Polizeigewalt im Algiers Motel während der race riots in Detroit 1967. Kathryn Bigelow fokussiert – wie etwa auch im U-Boot-Atomreaktor von „K-19: The Widowmaker“ oder anhand der Bombenentschärfungen und Standoffs unter Beobachtung im Oscar-Gewinner von 2010 „The Hurt Locker“ – eine Extremsituation. Mikrodynamik samt Kollisionen von Moral und Pragmatik in einem Motel: In der quälenden Raum-Fixierung pulsieren Blickrelationen und regelrechte Rollenspiele: Wir sehen Beispiele „kreativer“ Folter, wenn African American Verdächtige endlos stehen und zeitweise singen müssen, gesondert misshandelt und simulierter Weise – aber nicht nur simulierter Weise – exekutiert werden.
Der Terror der Demütigungen und Einschüchterungen wiederholt sich vor Gericht; am Ende stehen Freisprüche der weißen Cops und Morddrohungen gegen Zeugen. Eine Art Gegenterror verbreitet Bigelows reißerisch aufputschende Inszenierung, oft im Stakkato von Reißschwenks, Blendlichtern und raschen Umschärfungen.
Immer wieder ertönt dabei Motown-Soul, sei es aus dem Radio, sei es gesungen vor Ort. Einer der Misshandelten war Sänger bei den Dramatics, die an besagtem Abend in Detroit beinah mit den Vandellas aufgetreten wären. Da hallt Bigelows poppiges Race-Riot-Grunge-Feuerwerk „Strange Days“ nach, das 1995 auf den Los Angeles-Aufstand nach Freisprüchen im Fall rassistischer Polizeigewalt gegen Rodney King anspielte. (Dass sowas auf Video kursierte, war damals noch neu.) Auch in „Strange Days“ trug der Schrecken Uniform und eine verschwitzte weiße Grinsgrimasse. In „Detroit“ trägt sie nun Will Poulter (der für diesen Part auf die Clownsrolle in „It“ verzichtete); im Kontrast dazu bebt die Lippe in dem nur mit Mühe ruhig gehaltenen Gesicht John Boyegas als schwarzer Wachmann, der alles mit ansieht, skeptisch beobachtet, aber fast ebenso wenig eingreift wie die weißen Zeugen. Dies zum Teil mit dem Vorsatz, die auf Gewaltexzesse zusteuernde Situation nicht noch zu verschlimmern.
Bigelow ist eine Action-Regisseurin. „Detroit“ ist eine packende Ohnmachts-Oper, die – in jedem Sinn – keinerlei Aktivismus zeigt. Der Film zeigt einen Fall, macht ihn zum Drama. Anstelle eines historischen Kontexts etwa militanzpolitischer oder organisationssoziologischer Art ist der Kontext hier ein durchaus autoreferenzieller, aufgeladen mit der 2013 anhand der enhanced interrogations von islamistischen Informanten geführten Kontoverse zu Folter-Bildern in „Zero Dark Thirty“. Manche Arten des Zeigens gewöhnen uns an ein Handeln (hebeln also eine Gesetzesnorm zugunsten einer vom Faktischen bestimmten Normalität aus), lautete ein Argument von Bigelows Kritikern. Bigelows Programm wäre, so zeigt sich nun, eher dies: Wird Folter nicht gesehen, spielt das Tätern in die Hand, die – wie es in „Detroit“ geschieht – nach Verrichtung ihres Werks allen einbläuen, es gebe hier nichts zu sehen. Und da ist auch ein Genderkontext. Denn: Bigelow ist eine Männerversteherin – also Männlichkeitsrollenbilder-Kritikerin (bis hin zum Faszinosum des uniformierten Gewaltmonopols in Gestalt der weißen Polizistin in „Blue Steel“). Das Wüten der sich als Cowboys stilisierenden Cops, die weiße Tramperinnen beim Flirt mit schwarzen Motelgästen vorfinden, ist auch ein Fall ressentimentgetriebener sexueller Aggression.