Der Blick von oben, der den Film rahmt und einschließt, betrachtet das Leben als menschliche Komödie. Die Übergänge zwischen dem kleinen kanadischen Dorf im Schneesturm, das aus der Vogelperspektive wie eine Miniatur erscheint, und der großen Metropole an der Seine sind fließend. In beiden Fällen handelt es sich um einen Mikrokosmos, in dem sich die Figuren und Wege fortwährend kreuzen, die Dinge ihr Eigenleben führen und alles miteinander zusammenhängt. Die Filmkomödie „Barfuß in Paris“ von Abel & Gordon erinnert diesbezüglich an die absurden, kreisförmigen Dramen von Otar Iosseliani. Hier wie dort sind die typisierten Figuren, Orte und Handlungen in einem ständigen Austausch, der die Wiederholung beziehungsweise Wiederbegegnung als (glücklichen) Zufall deklariert. In „Barfuß in Paris“ ist die französische Hauptstadt ein Dorf, das inmitten der Seine auf der Île aux Cygnes liegt, die sich vom nahen Eiffelturm aus vortrefflich beobachten lässt.
An diesem verwunschenen, künstlichen Ort sucht die kanadische Bibliothekarin Fiona (Fiona Gordon) nach ihrer verschwundenen Tante Martha (Emmanuelle Riva). Die 88-jährige Tänzerin, die noch immer ihr tägliches Hanteltraining absolviert, ist nämlich ausgebüxt, um sich einer Einlieferung ins Altersheim zu entziehen. Zuvor hat sie aber noch einen Hilferuf an ihre schusselige, irgendwie verpeilte Nichte abgeschickt. Deren Ankunft in der fremden Stadt provoziert eine Kette von Pannen und Missgeschicken, die dazu führen, dass die ziemlich unbedarfte Fiona ihre Habe verliert; wobei, wie gesagt, in den Erzählschleifen dieses liebenswerten Films natürlich nichts wirklich verloren geht. Die Suche, die das Geschehen vorantreibt, ist vielmehr mit einem vielfältigen Finden verbunden. Und so trifft Fiona erst einmal auf den Clochard und Lebenskünstler Dom (Dominique Abel), der in einem Iglu-Zelt an der Seine „wohnt“ und ganz zufällig den knallroten Tramper-Rucksack der Touristin aus dem Fluss gefischt hat.
Insofern erzählt „Barfuß in Paris“ natürlich auch eine Liebesgeschichte mit Hindernissen. Das belgisch-kanadische Komiker-Paar Abel & Gordon, das sich in den Hauptrollen ihres Films selbst inszeniert, tut dies in der Tradition von Jacques Tati und Pierre Étaix mit pantomimischem Witz, humorvollem Slapstick und bezaubernden Tanzeinlagen. Respektlos und ein bisschen anarchisch setzen die beiden Komiker kleinere Unfälle und vertrackte Verwicklungen in Szene, die vom Sturz in die Seine bis zu der in der Fahrstuhltür eingeklemmten Nase nie schlimm enden, sondern mit einem fröhlichen Augenzwinkern und unverkennbarer Lust an absurden Situationen die Tücke von Objekten in den Blick nehmen. Wenn die komischen Helden am Schluss, bei einer intimen Trauerfeier mit „biologisch abbaubarer Urne“, eine Schweigeminute abhalten, setzt just zu diesem Zeitpunkt ein heftiger Regenschauer ein. Der natürlich keine Sekunde länger dauert als die verabredete Gedenkzeit. Und der dem traurig-komischen Geschehen eine melancholische Note beimischt.