Ein Künstler- und Ehepaar: Lewis Trondheim ist gegenwärtig der beste humoristische Comiczeichner, den Frankreich zu bieten hat, Brigitte Findakly hat seit den frühen Achtzigern als Koloristin wiederum die Werke der wichtigsten Comiczeichner Frankreichs, die die Gegenwart zu bieten hat, visuell perfektioniert, darunter Joann Sfar, Manu Larcenet, Riad Satouff und Trondheim selbst. Mit „Mohnblumen aus dem Irak“ legt das Paar nun gemeinsam eine Graphic Novel vor, eine autobiografische Geschichte über Findaklys Jugend im Irak, den sie 1973 14jährig verließ, als die Familie nach Frankreich emigrierte.
An Satouffs „Der Araber von morgen“ erinnern Thema und ästhetisches Programm. Hier wie dort sind überaus niedliche Knubbelfiguren einem autoritären religiösen Regime ausgesetzt, und der Schock sitzt tief, sobald man den meist tragischen, manchmal komischen Passagen die süßen Zeichnungen entreißt und sie an eine ganz reale Lebensgeschichte knüpft.
Es ist eine Geschichte über das Durchhalten, den schmalen Grat zwischen Opportunismus und Opposition zu meistern, ohne der Verzweiflung anheimzufallen. Die Eltern – beide Christen, der Vater ein Militärarzt, die Mutter Hausfrau – sind sichtlich bemüht, Findakly eine sorgenfreie Kindheit im Irak der Sechziger zu bereiten. Aber der Spielraum ist begrenzt: Fahnenappell und Hymnengesang in der Grundschule; Frauenzeitschriften und Lexika, aus denen Israel getilgt ist; abgehörte Telefonate, bei denen der lauschende Zensor zu schimpfen beginnt, sobald die Gesprächspartner vom Arabischen ins Französische wechseln; eine Klassenfahrt nach Mossul, um den Schülerinnen und Schülern die an Straßenlaternen aufgeknüpften Leichen gelynchter Baath-Millizionäre zu präsentieren; vor Kinofilmen platzierte Texttafeln, die zur Denunziation von Dissidenten aufrufen.
Findaklys und Trondheims Bildeinfälle, die sich nie von Verbitterung versehren lassen, sind genial: Leitmotivisch werden immer wieder laufende Soldaten ins Bild gesetzt, bewaffnet, den Blick zum Himmel gerichtet, treu ergeben, stilistisch absolut kaffeetassenkompatibel. Meist sind es fünf, wenn nach einem Putsch wieder mal einstige Verbündete massakriert wurden, gelegentlich auch nur drei. Die laufen dann und wann in die entgegengesetzte Richtung. Das Wesen des Krieges streift auch deshalb die Groteske, weil es so fürchterlich mechanisch ist.
Brigitte Findakly, Lewis Trondheim: „Mohnblumen aus dem Irak“
Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. Reprodukt. Berlin 2017, 112 Seiten, 18 Euro.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret