Der eine, die vielen; der Mann, die Frauen; der Nordstaatler, die Südstaatlerinnen. Die auf ein halbverlassenes Mädchenseminar im Virginia des US-Bürgerkriegs beschränkte Welt in „Die Verführten“ ist streng aufgeteilt; der Originaltitel „The Beguiled“ aber lässt offen, wer hier verführt (oder, wie das für ältere Ohren klingt, regelrecht begeilt) wird: Sie, er oder alle? Die Frauen hinter dem griechischen Villenportal ihres Instituts, die den verwundeten Feind bei sich verstecken – aber nur, so heißt es, bis er gesund genug ist, um in Kriegsgefangenschaft zu gehen –, wodurch die streng geregelte Damenwelt in Unruhe gerät? Oder der Soldat, der sich über die Zuneigung täuscht, die ihm entgegenbracht wird, mit üblen Folgen für sein leibliches Wohl?
Jedenfalls fangen fast alle der Frauen ein jeweils altersgemäßes Gspusi mit ihm an: Schwärmerische kleine Myladys wollen Aufmerksamkeit und Freundschaft, die älteste Schülerin (Elle Fanning) will Sex, Miss Französischlehrerin (Kirsten Dunst) sucht Wege aus der Verzopftheit und Ma’am Schulleiterin (Nicole Kidman) verhehlt nur mit Mühe ihre Angetanheit vom Beistand eines Galans, der ihre Stärke als Frau mit schmeichlerischen Worten würdigt und ihren verwilderten Garten mit imposantem Körpereinsatz pflegt.
„The Beguiled“ ist zu weiten Teilen ein Remake. Gegenüber Don Siegels Erstverfilmung des Romans „A Painted Devil“ von Thomas Cullinan (1966) allerdings gibt es Akzentverlagerungen, De- und Rezentrierungen, und da sticht schon die Besetzung ins Auge: Stand im Beguiled-Film von 1971 Clint Eastwood als der He-Man-Western-Weltstar schlechthin, dessen unbeirrte Roheit routinemäßig in entfremdete Milieus einbricht, einem Cast von weitaus weniger prominenten Darstellerinnen gegenüber (Geraldine Page in der Rolle der Schulleiterin), so sind nun Kidman & Kirsten Kaliber, angesichts derer Colin Farrell in der Blaurock-Rolle mittelgewichtig und passenderweise ins Eck getrieben wirkt; vor allem aber mutet er eher als schöner Leib denn als Tatmensch an.
Überhaupt ist hier der Mann ein leicht verängstigter Körper, der sich reihum prostituiert, der Lenden, Innuendo und grünen Daumen einsetzt, um zu überleben; die Frauen hingegen sind ganz gemessener Geist und gefesselte Form, Sprachkunde und Betstunde in Spitzenkleid und Kerzenlicht. Wie so oft bei Sofia Coppola, die für „The Beguiled“ den Regiepreis in Cannes erhielt, sind die Mädchenkleingruppen narzisstisch und etherisch-bleich, siehe „The Bling Ring“ oder „The Virgin Suicides“. (Die schwarze Haussklavin, 1971 eine Nebenfigur, kommt bei ihr nicht vor.) Und die Baumkronen, kunstvoll durchzogen von Sonnenstrahlen und Dunstschwaden, Sommerflirren, fernem Kanonendonner und Synthie-Flächen von Phoenix (J-Boy als Toyboy), kurz: das Atmosphärische des Naturraums fungiert hier mehr als schwelgender Hintergrund denn als dampfende Kampfmetapher (wie 1971, auf einem Höhepunkt der Zweiten Frauenbewegung) – in einem erwartungsgemäß attraktiven und gut, aber schematisch funktionierenden Drama.