Der Morgen dämmert über der fiktiven nordfranzösischen Kleinstadt Hénart. Noch ist alles ruhig auf den Plätzen und Straßen, in denen die gleichförmigen Häuser schnurgerade aufgereiht sind. In den ehemaligen Arbeitersiedlungen des Départements Pas-de-Calais herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit, die Menschen fühlen sich abgehängt und vergessen. Der lange, intensive Arbeitstag der ambulanten Krankenpflegerin Pauline Duhez (Émilie Dequenne), die sich ziemlich gehetzt von einem Ort zum anderen bewegt, saugt die Sorgen und Nöte ihrer Patienten förmlich auf und liefert damit gewissermaßen ein Spiegelbild der umgebenden Gesellschaft. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder ist engagiert und deshalb beliebt. Das erkennt auch der geschätzte Arzt und Politiker Philippe Berthier (André Dussollier), der ihr zudem attestiert „einfach, couragiert, intelligent und sympathisch“ zu sein und sie deshalb als Bürgermeisterkandidatin für seine rechtspopulistische Partei gewinnen will.
„Frankreich braucht neue Kräfte“, schmeichelt der doppelgesichtige Berthier der Umworbenen und gibt sich dabei volksnah. Weil sie das Leben und die Menschen kenne, könne sie etwas bewirken und dabei auch ihre eigene Situation verändern. „Man kämpft im Jetzt – für die Zukunft“, gibt sich der Arzt engagiert, womit er als aufrechter Patriot („Mein Volk, mein Land“) natürlich vor allem die Zukunft seines Heimatlandes meint. Bald findet sich Pauline inmitten einer nationalen Volksbewegung, die sich Rassemblement National Populaire (RNP) nennt und sich nach außen Mühe gibt, ihre Herkunft aus rechtsradikalen Zusammenhängen zu kaschieren oder auch zu eliminieren. Zu dieser dunklen Vergangenheit gehört auch der militante Rechtsextremist Stéphane Stanko (Guillaume Gouix), Paulines zwielichtiger Jugendfreund, in den diese sich gerade erneut verliebt.
Lucas Belvaux inszeniert sein um Aufklärung bemühtes Politdrama „Das ist unser Land!“ (Chez Nous) erkennbar absichtsvoll und zielgerichtet. Im Sozialen geerdet, beleuchtet sein ebenso spannender wie vielschichtiger Film die Hintergründe, Verflechtungen und dunklen Machenschaften des Rechtspopulismus. Belvaux ist damit ein hochaktuelles Werk gelungen, das am Beispiel einer unbescholtenen Frau, die zur Marionette der Macht wird, nicht nur die manipulative Kraft doppelgesichtiger Demagogen zeigt, sondern auch die gesellschaftlichen Konflikt- und Trennungslinien, die sich schmerzlich durch Freundeskreise und Familien ziehen.
Eine weitere Kritik zu „Das ist unser Land!“ findet sich hier.