Immer nur spaltbreit fällt Licht auf die Leinwand. Hinter der Plane, die sich im Fahrtwind und auf holprigem Gelände für Augenblicke hebt, kauern, dicht gedrängt, dunkle Gestalten auf der Ladefläche. Sie kommen aus einem sehr realen und brutalen Alptraum und werden kurzerhand irgendwo in der Wüste ausgesetzt. Schmutzig, ausgemergelt und erschöpft wie sie sind, schleppen sie ihre geschundenen und malträtierten Körper in eine ungewisse Zukunft oder brechen an Ort und Stelle zusammen. Die bärtigen, verwahrlosten Männer sind Opfer des Assad-Regimes, die während des syrischen Bürgerkriegs 2014 aus dem berüchtigten Saidnaya-Gefängnis entlassen werden. Sie sind jetzt sich selbst mit ihren Wunden und Traumata überlassen. Nach einem Zeitsprung von zwei Jahren arbeitet Hamid (Adam Bessa), einer der Überlebenden, auf einer Baustelle in Straßburg und wohnt in einer dunklen Kellerwohnung. Der schweigsame, in sich gekehrte Mann ist schwer traumatisiert. Er wurde nicht nur grausam gefoltert, sondern hat während des Krieges auch seine Frau und seine kleine Tochter verloren.
In Jonathan Millets ungemein spannendem Psychothriller „Die Schattenjäger“ („Les fantômes“), der von wahren Begebenheiten inspiriert wurde und der mit minimalen Mitteln große Wirkung erzeugt, gehört Hamid zu einem Untergrundnetzwerk von Zivilisten, die im Geheimen flüchtige Kriegsverbrecher und Schergen des syrischen Regimes aufzuspüren versuchen. So ist der unnahbar und undurchdringlich erscheinende junge Mann, der in Aleppo als Literaturprofessor gearbeitet hat, auf der Spur eines gewissen Harfaz (Tawfeek Barhom), der im Foltergefängnis unter dem Namen „der Chemiker“ firmierte. Hamid hat nur spärliche Anhaltspunkte. Unter den Exilanten der syrischen Community begegnet man sich mit Misstrauen. Und die Mitstreiter seiner Gruppe, mit denen er, getarnt durch ein Videokriegsspiel, kommuniziert, sind skeptisch und raten zur Vorsicht. Doch Hamid folgt seiner Intuition, achtet auf Gerüche, Stimme und Schritte und kommt so seinem mutmaßlichen Peiniger, der als Phantom einer schrecklichen Vergangenheit in der elsässischen Metropole Chemie studiert, auf schmerzliche Weise immer näher.
Diese Momente verstärkt der hoch konzentrierte Spionagefilm durch intensive Nahaufnahmen und die starke physische Präsenz des Protagonisten. Dessen Leiden und Traurigkeit, die jegliche Perspektive überschatten, verdichtet der französische Regisseur noch dadurch, dass er Hamids akribische Verfolger-Perspektive mit den mündlich überlieferten Zeugnissen von Folteropfern verschränkt. Während der einsame Beobachter immer drängender Harfaz belauert und dabei Raum und Architektur zu Mitspielern der Observation werden, durchlebt er Tiefpunkte aus Schmerz und Verzweiflung. Auf dem Höhepunkt der Konfrontation stehen seine übermächtigen inneren Wunden, die seine vergangene Gefangenschaft zu konservieren scheinen, der optimistischen Vorwärtsgewandtheit seines Gegenspielers gegenüber. Die Beziehung der beiden ist komplex. Doch Jonathan Millet interessiert sich in seinem beeindruckenden Spielfilmdebüt aus ebenso naheliegenden wie verständlichen Gründen weniger dafür, wie der Täter mit seiner Schuld leben kann; sondern er erzählt, wie des dem Opfer gelingt, zu überleben, aus der parallelen Schattenwelt auszutreten, Gerechtigkeit einzufordern und schließlich in einem Prozess persönlicher Trauerbewältigung eine neue Perspektive zu gewinnen.