Dieser Animationsfilm, der auf dem gleichnamigen Jugendbuch des französischen Dramatikers Jean-Claude Grumberg basiert, beginnt wie ein Märchen: „Es war einmal…“, hebt die warme Erzählerstimme von Jürgen Prochnow mit der über weite Strecken stummen Bildergeschichte an, die im Original von Jean-Louis Trintignant erzählt wird. In einem schneebedeckten Winterwald irgendwo im Osten lebt während des letzten Weltkrieges ein armes Holzfällerehepaar ein hartes, beschwerliches und mitleidloses Leben. Hunger, Kälte und Einsamkeit sind ihr Los. Noch nie haben sie den Wald verlassen, dessen Bäume dunkle Schatten in die weiße Landschaft werfen. Nach dem Verlust eines Kindes leidet vor allem die Frau unter der Kinderlosigkeit und sucht Trost und Beistand im Gebet: „Glücklicherweise ist auch das Unglück zu etwas gut“, macht sie sich selbst Mut. Und tatsächlich findet sie kurz darauf beim Holzsammeln einen weinenden Säugling im tiefen Schnee, der offensichtlich von einem der vorbeifahrenden Züge aus absichtlich ausgesetzt wurde. Das Mädchen sei ein „Geschenk der Götter des Zuges“ wird sie später sagen.
Für seinen Animationsfilm „Das kostbarste aller Güter“ („La plus préciuse des marchandises“) versetzt der französische Regisseur Michel Hazanavicius („The Artist“) diesen klassischen Topos in ein märchenhaft-romantisches Setting mit atmosphärischen Hell-Dunkel-Kontrasten und dem weitgehenden Verzicht auf Farbigkeit. Bläuliche Abendstimmungen, dichte Schneeflocken und die leitmotivisch vorbeifahrenden Züge, deren Dampf bedrohliche Schatten in die kalte Winterlandschaft wirft, unterstreichen zusätzlich diese Einsamkeits- und Verlassenheitsstimmungen. Wenn sich nächtens auf einer Anhöhe Wölfe mit Blick in die Weite versammeln, könnte das Arrangement einer Naturidylle direkt einem romantischen Gemälde entstammen. Tiere erscheinen beseelt und die mit kräftigen Umrisslinien gezeichneten Figuren sind mit ihren Schicksalen jeweils Teil einer rauen, unbarmherzigen Natur. Das durch Menschen verursachte Leid wiederum wird in einer Parallelhandlung imaginiert, die zeigt, wie auf einem der schrecklichen Deportationszüge ein verzweifelter Familienvater ein Zwillingskind aussetzt, bevor er im Konzentrationslager von seiner Familie getrennt wird. „In den verplombten Waggons ging die Menschlichkeit zugrunde“, heißt es einmal.
Die Bilder des Schreckens korrespondieren miteinander. Denn der mürrische Holzfäller beäugt zunächst misstrauisch das Glück seiner Frau und lehnt das Kind ab. Das in einen blau-weißen Tallit beziehungsweise jüdischen Gebetsschal gehüllte Mädchen sei ein Kind der „Herzlosen“ und „Gottesmörder“ einer „verfluchten Rasse“. Erst einige berührende Szenen der Annäherung später wird er mit Inbrunst und wie ein Mantra immer wieder den Satz wiederholen: „Auch die Herzlosen haben ein Herz.“ Der Holzfäller wird zum Ersatzvater, Beschützer und Verteidiger des kleinen Wesens; und er bleibt nicht der einzige in dieser Rolle. Einmal sagt die Frau, sie habe etwas verloren, aber auch etwas gewonnen. Hazanavicius und seine Zeichner akzentuieren diesen Ausgleich und die gegenseitige Hilfe in der Not. Sein Film zeigt Figuren, die gegen Widerstände das Leben verteidigen und trotz größter Not ihre Menschlichkeit bewahren. Zwischen dem märchenhaft Erfundenen und den allzu schmerzlichen Wahrheiten einer dunklen Geschichte sei die Liebe das einzig Echte. Sie sorge dafür, „dass das Leben weitergeht“, lautet die abschließende Botschaft.