Die Nachrichten berichten von einem amerikanischen Drohnenangriff, bei dem im Süden von Somalia ein Anführer der islamistischen Terror-Miliz Al-Shabaab getötet wurde. Nach diesem dokumentarischen Anfang hebt ein Totengräber mit seiner Schaufel ein Grab für den Getöteten in der steinigen und staubigen Einöde aus, während ein kräftiger Wind vom Meer her über das Geröllfeld zieht. Der schweigsame Mamargade (Ahmed Ali Farah), der sich als Tagelöhner mit wechselnden Jobs durchschlägt, wird für seine Arbeit schlecht bezahlt. Die vielen, zu Bündeln geschnürten Geldscheine sind offensichtlich wenig wert. Es wird gehandelt und gefeilscht. Man teilt, was man hat, oder macht Schulden. Armut und Tod sind allgegenwärtig. Anderntags übernimmt Mamargade einen Lebensmitteltransport, mit dem illegal Waffen und Munition geschmuggelt werden. Was der gutmütige Fahrer darüber weiß, ist nicht ganz klar. Später kehrt er in sein Dorf am Meer zurück, das Paradies heißt und hauptsächlich aus Wellblechhütten besteht.
Ruhig und mit genau komponierten Bildern beobachtet Mo Harawe in seinem Langfilmdebüt „The Village Next to Paradise“ den prekären, trostlosen Alltag seiner Protagonisten, die von Laien gespielt werden. Der sorgsam und authentisch gestaltete Einblick in weitgehend unbekannte Lebensverhältnisse fungiert dabei als Korrektiv zu den Nachrichtenbildern des Anfangs. Krieg und Terror werden nur in Andeutungen und zwischen den Zeilen vermittelt, auch wenn sie die gesellschaftliche Ordnung längst untergraben haben. Stattdessen zeigt der somalische Regisseur den Zusammenhalt in Familien- und Clan-Strukturen, die das Fehlende und Verlorengegangene ersetzen und für soziale Einbindung sorgen. So lebt Mamargade in einer Art Patchworkfamilie zusammen mit seinem kleinen Stiefsohn Cigaal (Ahmed Mohamud Saleban), der seine Mutter verloren hat, sowie mit seiner Schwester Araweelo (Anab Ahmed Ibrahim), die als Näherin arbeitet und sich gerade von ihrem Mann trennt.
Gleichmütig und wortkarg leben die Familienmitglieder scheinbar nebeneinander her. Doch dazwischen gibt es immer wieder Momente von Nähe und Zuneigung, etwa wenn Vater und Sohn zusammen spielen oder gemeinsam ihre Füße ins Meer strecken. Weil immer öfter der Unterricht ausfällt, bis die Schule schließlich ganz geschlossen wird, entscheidet sich Mamargade, sein Kind ins städtische Internat zu geben. Zwar wehrt sich Cigaal zunächst, doch dann fügt er sich in sein Schicksal. In der fremden Umgebung verliert er seine Träume, doch er darf auch wachsen – wie der Baum, der bei seinem Eintritt ins Internat für ihn gepflanzt wird. Auch für Araweelo eröffnet sich eine neue Perspektive, als sie endlich ein eigenes, kleines Schneideratelier eröffnen kann. Nur Mamargade erscheint trotz oder gerade wegen seiner Hilfsbereitschaft hoffnungslos gefangen zu sein. Er habe stets einen Schritt nach vorne machen wollen, dabei aber immer alles vermasselt, entschuldigt er sich. Doch was er als Determination empfindet, wirkt schließlich als Kraft des Ausgleichs.