Das analoge 16-mm-Filmmaterial und der Produktionshinweis im Vorspann vermitteln einen verspielt ironischen Anachronismus und sind zugleich eine Reminiszenz an das iranische Kino, wo ähnliche Sätze vor allem in Filmen der 1970er und 80er Jahre auf die staatliche Förderung hinwiesen: „Eine Vorführung des Winnipeg-Instituts für die intellektuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Im Namen der Freundschaft“, heißt es also zu Beginn von Matthew Rankins surrealer Komödie „Universal Language“.
In Erinnerung an Abbas Kiarostamis Film „Wo ist das Haus meines Freundes?“ beginnt diese auch prompt in einem Klassenzimmer, in dem die Kinder toben, bis der verspätet eintreffende Lehrer sie mit autoritärer Strenge lautstark diszipliniert. Der Film scheint in einer entfernteren Zeit und in einer iranischen Community der kanadischen Stadt Winnipeg zu spielen. Denn die selbstbewussten, wenig eingeschüchterten Kinder sprechen Farsi und sollen Französisch lernen, obwohl man hier überwiegend Englisch spricht. Er wolle aus ihnen bessere Menschen machen, erklärt er Lehrer mit pädagogischem Furor. Doch das sei ein hoffnungsloses Unterfangen, weil seine Schützlinge offensichtlich an der Realität scheiterten. „Wir sind für immer verloren in dieser Welt“, sprechen diese daraufhin im Chor.
Bereits in diesen ersten Szenen steckt der ganze poetische Reichtum von Matthew Rankins sprachlicher Ironie und vor allem einem sehr eindrücklichen und filmisch komplexen visuellen Witz. So beobachtet die erste lange, statische Kameraeinstellung das Klassenzimmer als Fensterausschnitt von außen; klein und an den unteren, rechten Rand gesetzt, zeigt das Bild ein Backsteingebäude, das in mehrere Rechtecke gegliedert ist. Das Zentrum erscheint also am Rande. Distanz und Nähe, Einsamkeit und Gemeinschaft werden im Folgenden immer wieder neu vermessen. Dabei spielt eine merkwürdige, prägnant brutalistische Architektur aus mächtigen Mauern, die in braune, beige und graue „Bezirke“ aufgeteilt sind, eine wesentliche Rolle. Die dezentrale Bildaufteilung im Verbund mit einer unkonventionellen Montage, die den Informationsfluss verzögert sowie eine unwirtliche winterliche Atmosphäre aus Kälte und Schnee verstärken das Gefühl der Verlorenheit. Abgefedert wird dieses freilich durch einen Humor, der mit seinen skurrilen Begebenheiten, absurden Dialogen und visuellen Späßen an die Filme von Elia Suleiman, Roy Andersson oder auch Aki Kaurismäki erinnert.
Matthew Rankin hat seinen kunstvollen Film als „autobiographische Halluzination“ bezeichnet und verknüpft darin mehrere, zunächst lose erscheinende Episoden zu einem Zusammenhang wiederkehrender Figuren und Motive. Die Heimkehr eines vom Regisseur selbst gespielten desillusionierten, ja lebensmüden Regierungsbeamten namens Matthew, der von Montréal nach Winnipeg reist, verbindet sich mit der Geschichte von zwei Schülerinnen, die unter einer Eisschicht einen Geldschein entdecken und sich auf die Suche nach einem Werkzeug machen, um diesen aus dem Dauerfrost zu lösen. Sie wollen damit die scheinbar verlorene, tatsächlich aber von einem Truthahn verschleppte Brille eines Schulkameraden refinanzieren. Beansprucht wird das Geld aber auch von dem Fremdenführer Massoud (Koautor Pirouz Nemati), der nicht nur – touristisch betrachtet – „sinnlose“ Stadtführungen anbietet, sondern auch Matthews Mutter beherbergt.
Während sich die Figuren, von anderen Begebenheiten flankiert, in Abschweifungen und Zeitschleifen kontinuierlich aufeinander zubewegen, finden Ausgleichsprozesse statt. Geschichten verbinden sich, Figuren finden zueinander und tauschen sich aus, ein Gleichgewicht der Kräfte, so scheint es, wird wider allen zeitgeistigen Pessimismus hergestellt. Denn Rankin träumt mit seinem Film auf sehr originelle Weise von menschlichem Zusammenhalt und einer „universellen Solidarität“.