Kaum hat der Fahrradfahrer, schwer atmend und mit letzter Kraft, den Gipfel des Bergs erklommen, wird er aus dem waldigen Hinterhalt von Schüssen niedergestreckt. Der Heckenschütze flüchtet kurz darauf mit dem Fahrrad des Getöteten und genießt zufrieden und befreit die Abfahrt. Er profitiert gewissermaßen von der Kraftanstrengung seines Opfers und liefert damit eine Metapher für das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, Ausbeutung und Unterdrückung. In der nächsten Szene sieht man ihn inmitten einer strahlenden feinen Gesellschaft, seiner Familie und Entourage, wie diese, in helle, weiße Freundlichkeit getaucht, zwischen Bangen und Begeisterung ein Polo-Spiel verfolgen. In Zeitlupe und von sakraler Chormusik begleitet, gewinnt das Mädchen, das foult. Die 13-jährige Paula (Olivia Groschler) verteidigt als gelehrige Schülerin ihres machtbewussten, alles und alle dominierenden mörderischen Vaters Amon Maynard (Laurence Rupp) ganz selbstverständlich und wie nebenbei aus dem Off ihre sozialdarwinistischen, menschenverachtenden Ansichten: „Ein Foul ist kein Verbrechen. Sich an Regeln zu halten, kann jeder. Dafür bin ich zu kreativ, und der Erfolg gibt mir recht.“
Die österreichischen Filmemacher Daniel Hoesl und Julia Niemann, die ihrer zynischen Gesellschaftssatire „Veni Vidi Vici“ ein Zitat der neoliberalen Vordenkerin Ayn Rand vorangestellt haben, lassen ihren ebenso bösen wie smarten Helden unter dem Stichwort „Creative Destruction“ dann auch folgerichtig von der schöpferischen Zerstörungskraft schwadronieren: „Was zählt, ist das, was sich durchsetzt.“ Das Recht des Stärkeren, rücksichtsloser Fortschrittsglaube und unbedingte Risikobereitschaft sind seine Leitsterne. Nach einer zweifelhaften Firmenübernahme ist der obszön reiche Investor, der nie arbeitet, gerade dabei, inmitten schönster Natur eine riesige Batteriefabrik zu planen. Hofiert und unterstützt wird er dabei von einer emsigen Rechtsaußenpolitikerin als Vertreterin eines „schlanken Staates“ sowie von einer willfährigen Hofberichterstattungspresse. Für seine Verdienste wird er mit dem „Ring of Disruption“ ausgezeichnet. Und für seine „Work-Life-Balance“ fährt der überzeugte Familienmensch und liebende Vater, der keinem Tier etwas zuleide tun kann, ab und zu ins Gründe, um völlig willkürlich Menschen zu erschießen.
Obwohl ihm ein alter Jagdaufseher und ein desillusionierter Journalist auf der Spur sind, kann der siegesgewisse Maynard im Zenit seiner grenzenlosen Anarchie behaupten, er komme mit allem durch. „Warum lassen die Menschen sich das gefallen?“, fragt er kalt und berechnend. Und diese Frage stellen die Filmemacher angesichts aktueller Entwicklungen, identifizierbarer Vorbilder und einer zunehmenden Konzentration von Macht und Geld in den Händen weniger auch an den Zuschauer. In präzise komponierten Bildern, mit schwarzem, abgründigem Humor und einer absurden Überzeichnung vermittelt ihr szenisch gebauter Film den Verlust moralischer Wertmaßstäbe sowie eine ebenso skrupellose wie selbstverständliche Grausamkeit unter dem Deckmantel höflichen Benehmens und einer gesitteten, zugleich dekadenten Ordnung. Jeder und jede, so scheint es, wird unter diesen Bedingungen des Raubtierkapitalismus instrumentalisiert und für böse Zwecke eingespannt. Der Film fordert seine Betrachter am Ende deshalb unmissverständlich dazu auf, sich zu wehren und dagegen aufzubegehren.