Die verschwommenen, unscharfen Bilder sind in goldenes Licht getaucht, dessen Leuchten zugleich blendet, während eine junge Frau nach einem Schatz taucht. Derweil werfen die Credits Schatten auf die Leinwand. Undeutliches, Doppelgesichtiges und Ambivalentes bilden den Auftakt von Andres Veiels Dokumentarfilm „Riefenstahl“, der sich der Filmregisseurin und Fotografin widmet, um einmal mehr ihre Rolle während der nationalsozialistischen Diktatur zu beleuchten. Das geschieht nicht entlang einer lückenlosen biographischen Erzählung, sondern mehr fragmentarisch in Schlaglichtern auf bestimmte Aspekte ihres langen Lebens (1902-2003) und einem eng damit verknüpften Werk. Den eingangs zitierten Film „Blaues Licht“ aus dem Jahre 1932 mit seinen geheimnisvollen Bildern hat Leni Riefenstahl, die hier zusammen mit dem ungarischen Filmtheoretiker Béla Balázs erstmals Regie führte, in der Rückschau als „Schlüssel zu meinem Leben“ bezeichnet. Sportlich und abenteuerlustig hat sie zuvor als Tänzerin und waghalsige Kletterin in den Bergfilmen von Arnold Fanck Aufmerksamkeit auch bei den Nazi-Funktionären erregt.
Aus ihrer Faszination, ja Geistesverwandtschaft mit Adolf Hitler, mit dem sie in persönlichem Kontakt stand, hat Riefenstahl keinen Hehl gemacht. Er habe sie „wie durch Magnetismus eingefangen“, sagt sie über ihrer Treue zum „Führer“, der wie sie idealistisch, opferbereit und kompromisslos gewesen sei. In den kontroversen Auseinandersetzungen um ihre Rolle als NS-Propagandistin, die nach dem Krieg unter anderem in TV-Talkshows und Interviews geführt wurden, beharrt sie darauf, unpolitisch gewesen zu sein und von den Massenmorden in den Konzentrationslagern nichts gewusst zu haben: „Politik ist das Gegenteil von dem, was mich das ganze Leben lang interessierte.“ Stattdessen betont sie, sich bei ihren Olympia-Filmen (1938) sowie ihrem Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1935) nur für die Kunst interessiert zu haben. Sie sei keine Widerstandskämpferin, sondern nur „Ausführende einer Arbeit“ gewesen. Das sah man offensichtlich auch in den Untersuchungen nach dem Krieg so und beurteilte die Regisseurin als „Mitläuferin“.
Andres Veiel bestätigt in seiner neuen Arbeit, für die er Zugriff auf einen höchst umfangreichen Nachlass aus Briefen, Aufzeichnungen und Tonmitschnitten hatte, zunächst dieses scheinbar unverrückbare Bild. Auf einer darunter liegenden Ebene interessiert er sich aber zugleich dafür, wie sich diese Image durch Riefenstahls unablässig manipulierte Selbstdarstellung verfestigte, indem die Porträtierte ihre öffentliche Wahrnehmung massiv lenkte und zensierte. Außerdem zeigt Veiel mit Blick auf Riefenstahls Gewalterfahrungen in ihren Kinder- und Jugendjahren eine traumatisierte Frau und die Prägungen, die daraus resultierten, ohne sie jedoch aus ihrer späteren politischen Verantwortung zu entlassen. Insofern ist sein Film „Riefenstahl“ nicht nur Zeugnis individueller Widersprüche und fortgesetzter ideologischer Überzeugungen, sondern auch Mahnung an unsere politische Gegenwart angesichts neuerlicher rechtsnationaler Entwicklungen.