Allein, fremd und verloren fühlt sich die französische Austauschschülerin Fanny (Lilith Grasmug) bei ihrer Ankunft am Leipziger Hauptbahnhof, bevor sie von ihrer leicht verspäteten Gastmutter Susanne (Nina Hoss) in Empfang genommen wird. Ihre politisch engagierte Brieffreundin Lena (Josefa Heinsius), mit der die 17-jährige Straßburgerin die nächsten zwei Monate verbringen soll, ist erst mal abwesend und hat offensichtlich keine Lust auf Fanny und den Austausch. Die junge Französin wirkt introvertiert, spricht wenig Deutsch und schläft schlecht. Gegenüber Lena bekennt sie, dass sie von ihren Mitschülern gemobbt werde und deshalb mehr halbherzig versucht habe, sich das Leben zu nehmen. Auch das Verhältnis zu ihren Eltern, die für das Europaparlament arbeiten, sei schwierig und angespannt. Den Kummer über eine dysfunktionale Familie teilt Fanny mit der selbstbewussten Lena, die ihren leiblichen Vater nicht kennt, während ihr Stiefvater gerade die Familie verlassen hat. Zwischen Überforderung und Zukunftsängsten treffen sich die beiden Mädchen und nähern sich allmählich einander an.
Claire Burger verknüpft in ihrem Coming-of-Age-Film „Tandem – In welcher Sprache träumst du?“ („Langue étrangère“) die gesellschaftlichen und familiären Krisen der Gegenwart mit der jugendlichen Suche nach der eigenen Identität. Dabei geht es in mehrfacher Hinsicht um das Überschreiten von sprachlichen und kulturellen Grenzen, um sich im jeweils anderen selbst zu entdecken. Die in Lothringen an der französisch-deutschen Grenze aufgewachsene Regisseurin wechselt deshalb in der zweiten Hälfte ihres Films, der dann in der elsässischen Metropole spielt, die Perspektive und lässt Lena auf das Leben ihrer Freundin und deren Gastfamilie blicken. Dabei muss sie erkennen, dass Fanny nicht immer die Wahrheit erzählt und sich in Fiktionen verstrickt, um Aufmerksamkeit zu erregen und Zuwendung zu erfahren. Fanny ist nämlich in Lena verliebt und sie braucht den falschen Schein erfundener Geschichten, um sich ihr zu nähern und zu öffnen. Das gelingt nicht zuletzt unter der Wirkung psychoaktiver Pilze.
In ihrem Film über jugendliche Sehnsucht und Begehren wechselt die französische Regisseurin deshalb an markanten Stellen zwischen Traum und Wirklichkeit, als wäre im Reich der Phantasie das möglich, was in der Realität zunächst noch auf Hindernisse stößt. So münden die fließenden, in helles, sommerliches Licht getauchten Bilder immer wieder in den Schatten rauschhafter Nächte und in der Lust erwachender Gefühle. Jenseits dieser zarten Liebesgeschichte bleibt allerdings vieles vordergründig oder unscharf. Sowohl die politischen Sorgen der Jugendlichen als auch die Hintergründe ihrer familiären Konflikte werden nur angedeutet oder erschöpfen sich mitunter im Plakativen. Das ist vermutlich auch dem hohen Erzähltempo des Films geschuldet, dem es neben seiner subtilen Liebesgeschichte, die vom einfühlsamen Spiel zweier beeindruckender Darstellerinnen getragen wird, vor allem um die Selbstfindung heutiger junger Menschen geht und, so Claire Burger, um „den Wunsch, an etwas zu glauben.“