In seinen Erinnerungen beschreibt der berühmte spanische Filmregisseur Luis Buñuel den Glauben, Sexualität und Tod als „lebendige Kräfte der Jugend“. „Der Tod war ständig spürbar und Teil des Alltags“, schreibt er im Rückblick auf prägende Kindheitserlebnisse. Der Glaube an religiöse Wunder war ganz selbstverständlich. Als würde sich das Leben horizontal entwickeln, habe das Mittelalter in seiner aragonesischen Geburtsstadt, wo er im Jahr 1900 zur Welt kam, bis zum Ersten Weltkrieg gedauert. Mit den von seinem Sohn Juan Luis filmisch dokumentierten Trommeln von Calanda, die in der Karwoche ununterbrochen die Prozessionen mit ihren Darstellungen von Tod und Vergänglichkeit begleiten, beginnt entsprechend Javier Espadas gewichtiger Dokumentarfilm „Buñuel: Filmemacher des Surrealismus“. Die von Buñuel empfundene Ähnlichkeit zwischen Tod und Geschlechtsakt sowie die Unterdrückung der Sexualität durch die katholische Kirche lassen ihn diese als schuldhaft und zugleich als „köstliche Sünde“ erleben. In seinen späteren Filmen wird dieses thematische Dreieck eine wesentliche, immer wiederkehrende Rolle spielen.
Der spanische Buñuel-Experte Javier Espada, der als Museums- und Festivalleiter sowie als Ausstellungsmacher seine Forschungsarbeit dem Leben und Werk des spanischen Surrealisten widmet, hat seinen sehr eng und materialreich gefugten Film ausschließlich aus Dokumenten und archivarischen Quellen montiert. Frühe stereoskopische Fotografien von Buñuels Vater, zahlreiche Filmausschnitte, Zitat aus Luis Buñuels zusammen mit seinem langjährigen Drehbuchautor und Freund Jean-Claude Carrière verfassten Memoiren „Mein letzter Seufzer“ sowie viele Werke aus anderen Künsten weben ein dichtes Netz vielfältiger Bezüge und Referenzen. Dabei finden Bild und Text immer zu einer inhaltlichen Entsprechung. Diese stellt auf analytische Weise weniger die Biographie des Filmkünstlers, sondern vor allem die wiederkehrenden Motive seines Werks in den Mittelpunkt. Diese stehen natürlich ganz im Zeichen des Surrealismus, der Buñuel einen „freien Zugang zu den Tiefen meiner selbst“ und zu den dunklen Impulsen seiner Seele ermöglicht hat.
Ab 1925 in Paris, schließt sich der junge Buñuel der surrealistischen Gruppe um André Breton an und erlernt das filmische Handwerk bei Jean Epstein und Jacques Feyder. Er begeistert sich für Fritz Langs „Der müde Tod“ und die Komik Buster Keatons, die experimentelle Poesie der Avantgarde um Marcel Duchamp, Germaine Dulac und Man Ray und interessiert sich außerdem für Entomologie sowie das rätselhafte Leben der Tiere. Als er Ende der 1920er Jahre zusammen mit Salvador Dalí den Film „Ein andalusischer Hund“ veröffentlicht, kommt es zu einem ersten Skandal. Die antibürgerliche, gegen die Vertreter der Macht gerichtete Stoßrichtung setzt sich unter dem Einfluss der Schriften des Marquis de Sade dann in dem subversiven Film „Das goldene Zeitalter“ (1930) fort.
Der Surrealismus habe ihn gelehrt, dass Freiheit und Gerechtigkeit nicht existieren und ihm zugleich einen Moralkodex gegeben, wird Buñuel später sagen. Der Mythos der Wahrheit und – so der Titel eines seiner Filme – „Das Gespenst der Freiheit“ (1974), die „verrückte Liebe“ und eine destruktive Sexualität, dargestellt in Fetischen und paradoxen Ritualen, beschäftigen ihn weiterhin in seinen Filmen, die er in den 1950er Jahren in Mexiko und danach in Frankreich gedreht hat. In ihrem Streben, eine absurde Welt zu zeigen, findet die gegensätzliche Gleichzeitigkeit von surrealer Phantasie und materialistischer Wirklichkeit, von Innen- und Außenwelt einen ebenso kongenialen wie einmaligen Ausdruck.