Erinnert ihr alten Säcke euch noch an „Twister“? Den Katastrophen-Actionfilm aus dem Jahr 1996? In dem eine Wissenschaftlerin (Helen Hunt) Wirbelstürme erforschen will, um sie besser vorhersagen zu können, und im Zuge der vergessenswerten Handlung zu ihrem geschiedenen Ehemann (Bill Paxton) zurückfindet? Ihr wisst schon, wie es Gott gewollt hat? „Twisters“ erzählt fast die gleiche Geschichte. Statt Hunt spielt nun Daisy Edgar-Jones das All American Girl aus dem Mittleren Westen (lustigerweise ist Edgar-Jones Britin), und sie trägt sogar die 1996 etablierte Uniform für Wirbelsturmjägerinnen (weißes Tanktop). Statt Bill Paxton ist der fesche Glen Powell nun das mächtig männliche Love Interest der Protagonistin. Die will Wirbelstürme nicht mehr nur vorhersagen können, sondern hat gleich eine chemische Formel entwickelt, mit der man die lästigen Winde ausradieren kann.
Es fehlen hier die fliegenden Kühe. Die fast alles sind, was sich mein Gehirn vom 1996-Twister-Film gemerkt hat. Dafür fliegt fast alles andere durch die Gegend, von Autos über Windräder bis zu ganzen Raffinerien. Und Menschen auch, aber das macht nichts, denn irgendeine Art von emotionaler Wirkung hat es nicht, wenn in „Twisters“ jemand stirbt. Ich war überrascht, wie kalt der Streifen ist. Obwohl andauernd jemand in Gefahr ist oder was stürmt und explodiert, war mir das wurscht. Und dass der Feschak am Schluss die Feschakin kriegt, war ohnehin klar. Warum also war „Twisters“ ein Riesenerfolg an den Kinokassen?
Ich würde sagen, weil er dem Sommerblockbuster-Publikum gibt, was das Sommerblockbuster-Publikum will. Der Punkt ist nicht als negative Kritik gemeint, es ist einfach so. „Twisters“ wandelt auf den Spuren von „Top Gun: Maverick“, insofern man hier als Mensch, der nach einer 50-Stunden-Woche in einem Scheiß-Job und zwei Wochen Urlaubsanspruch pro Jahr 20 oder 30 Dollar dafür hinlegt, unterhalten zu werden, auch unterhalten wird, ohne sein Hirn einschalten zu müssen. Das tut „Twisters“ und vermeidet sehr geschickt, irgendein Reizthema des aufgeheizten Kulturkampfes anzusprechen. So kommt etwa das Wort „Klimawandel“ in einem Film über immer schlimmer werdende und immer öfter vorkommende Stürme nicht vor. Stattdessen gibt es ganz viel Zusammenhalts-Appelle (was nicht an sich böse ist). Frauen dürfen stark sein, aber „Twisters“ schafft das, ohne Männer deswegen wie die letzten Volltrottel darzustellen. Es gibt ganz viel Rockmusik und Countrymusik und ein bisschen moderne Popmusik. Viele Szenen mit gaaanz großen Autos, die gaaanz schnell über Stock und Stein fahren und deren Insassen dabei gaaanz laut „Wooooheee“ brüllen. Rodeos. Amerikanische Flaggen. Queere Menschen existieren nicht.
„Twisters“ ist dabei aber nicht besonders offensichtlich mean spirited. Am Schluss darf sogar die Witzfigur des Films, ein britischer Journalist über 40, der Brille trägt (hahaha), dem beim wilden Auto-in-Wirbelstürme-Fahren schlecht wird (Weichei!) und der seinen Job als Journalist macht und fotografiert und Notizen schreibt (buuuuu!) ein richtiger Mensch werden, indem er seine Kamera weglegt und mit anpackt – fast wie ein echter amerikanischer Mann. Am Rande gibt es auch noch einen Bösewicht, einen gierigen Kapitalisten, der das Land von Twister-Opfern aufkauft, aber der wird so schnell wieder aus der Handlung katapultiert, dass man ihn kaum wahrnimmt.
Andererseits ist die Besetzung immerhin multi-ethnisch, was einer der wenigen Hinweise darauf ist, dass „Twisters“ nicht direkt nach „Twister“ gedreht wurde. Und das dürfte ein weiterer Grund für den Erfolg sein. „Twisters“ fühlt sich alt an, also 90er-Jahre-alt. Ähnlich wie „Top Gun: Maverick“. Das zieht beim Publikum, was angesichts der Multikrisen unserer Tage und des Dauergeschreis unserer gespaltenen Gesellschaften massenpsychologisch verständlich ist. „Twisters“ ist nicht so offen faschistisch wie etwa die Serie „Yellowstone“, sondern so reaktionär, wie es die meisten erfolgreichen Blockbuster immer waren. Anders gesagt: „Twisters“ ist der nette Konservative, der nichts gegen Schwule hat und auch selbständige Frauen akzeptiert, solange sie patriotisch sind, an die Marktwirtschaft glauben und nicht allzu vorlaut werden.