Omen

(BE/DE/FT/NL/ZA/CD 2023; Regie: Baloji)

Stigmatisierte

Aus der Tiefe einer weiten Wüstenlandschaft nähert sich eine mysteriöse Reiterin, die von schwarzen Tüchern eingehüllt wird. Am Ufer eines flachen Sees macht sie Rast, um kurz darauf Milch aus einer ihrer Brüste zu pressen. Dabei verfärbt sich das Wasser, als handle es sich um einen bösen Zauber, in eine immer großflächigere, fast bedrohlich wirkende gelblich-rötliche Brühe. Die Milch der Mutter wirkt, so scheint es, wie ein schleichendes Gift, das die Seelen derer, die sich davon nähren, auf unheimliche Weise besetzt und gefangen hält. Das Zeichen der Herkunft wird für immer zu einem unauslöschlichen Trauma; mit der vergifteten Milch vollzieht sich eine Ausgrenzung. In seinem Film „Omen“ („Augure“) folgt der kongolesisch-belgische Filmemacher und Musiker Baloji in mehreren Kapiteln vier Figuren, die als Verstoßene gelten und sich mit der schweren Last ihrer Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Bezeichnenderweise geschieht dies in der Karwoche.

Für Koffi (Marc Zinga) ist es eine Rückkehr in die Fremde, als er nach 18 Jahren zusammen mit seiner Frau in sein Heimatland fährt. Alice (Lucie Debay) ist schwanger und erwartet Zwillinge. Koffi will dafür den Segen der Familie erbitten und setzt sich dafür, rücksichtslos gegenüber sich selbst, einem starken Anpassungsdruck aus. Doch die Familie reagiert verhalten, distanziert und abweisend. Während der Vater, ein Minenarbeiter, abwesend bleibt, verharrt die Mutter in tiefem Schweigen. Koffi gilt als verflucht, sein Spitzname „Zabolo“ bedeutet „der Fleck des Teufels“. Epileptische Anfälle und wiederkehrendes Nasenbluten markieren Koffis traumatische Identität. Nur seine Schwester Tshala (Eliane Umuhire) scheint ihn zu verstehen. Doch diese lebt selbst getrennt von der Familie, weil sich ihr modernes weibliches Selbstverständnis mit den überkommenen Traditionen nicht verträgt. „Wie kann man lieben, wenn man es nicht gelernt hat?“, fragt sie einmal ihren Bruder.

Baloji erzählt vom normalen Chaos einer anderen Realität und der kulturellen Differenz eines fremden Landes mit einem magischen Realismus. In ihm mischen sich Traum und Wirklichkeit sowie auf synkretistische Weise Rituale und kultische Praktiken unterschiedlicher Herkunft. Eine „andere Raum-Zeit“ aus Prozessionen, wilden Tänzen, märchenhaften Visionen und Flashs in die Vergangenheit trifft auf den Wahnsinn eines Alltags, der jenseits einer logischen Ordnung funktioniert und der stark von Aberglaube und der Macht von Zauberkräften geprägt wird.

Der halbwüchsige Paco (Marcel Otete Kabeya), ebenfalls ein Verstoßener, der mit seiner Transvestiten-Gang in einem ausrangierten Bus haust, macht sich das zunutze, gerät aber mit einer verfeindeten Bande in einen gewalttätigen Konflikt. In Paco spiegelt sich Koffis Schicksal, aber auch eine wesentliche Differenz, die schließlich auch Koffis Mutter Mujila (Yves-Marina Gnahoua) determiniert. Als früh zwangsverheiratete Ehefrau und Mutter leidet auch sie an den Wunden ihrer Herkunft und einer schweren Vergangenheit. Doch im Unterschied zu ihrem Sohn ist sie – trotz Zeichen der Versöhnung – eine Gefangene ihrer Gesellschaft, der die Möglichkeit, ein anderes Leben zu leben, verwehrt bleibt.

Omen
(Augure)
Belgien/Deutschland/Frankreich/Niederlande/Südafrika/Demokratische Republik Kongo 2023 - 92 min.
Regie: Baloji - Drehbuch: Baloji - Produktion: Benoit Roland - Bildgestaltung: Joachim Philippe - Montage: Bruno Tracq, Bertrand Conard - Musik: Liesa Van der Aa - Verleih: Grandfilm - FSK: ab 12 - Besetzung: Marc Zinga, Yves-Marina Gnahoua, Marcel Otete Kabeya, Eliane Umuhire, Lucie Debay
Kinostart (D): 04.04.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt21086802/
Foto: © Grandfilm