Die Fahrt mit der Autofähre führt übers Meer zur dänischen Ostseeinsel Bornholm. Zwischen den beiden befreundeten Paaren, die sich im Bordrestaurant ironisch necken, belauern und miteinander frotzeln, ist die Stimmung ungezwungen und noch relativ unbekümmert. Ein gemeinsamer Campingurlaub in den Dünen soll Erholung und Entspannung bringen. Der Blick übers Meer geht in die Weite. Und wenn sich an der Anlegestelle des Zielortes schließlich die große Heckklappe der Fähre öffnet, wird der sich eröffnende Raum so hell und leer wie eine Tabula rasa. Diese wird in Anna Kazejaks tragikomischem Film „Fucking Bornholm“ im Folgenden beschrieben mit einer Feriengeschichte, die sich zu schmerzlichen Ehedramen ausweitet.
Die Verstimmung beginnt schon damit, dass der reservierte übliche Stellplatz bereits von einer anderen Familie belegt ist, was die beiden pragmatischen Männer der Neuankömmlinge zunächst sportlich nehmen. Während sich der geschiedene David (Grzegorz Damięcki) und seine deutlich jüngere Freundin Nina (Jaśmin Polak) im Gefühl einer frischen Verliebtheit offen und tolerant geben, vermittelt das unterschwellig angespannte Verhältnis zwischen den Ehepartnern Maja (Agnieszka Grochowska) und Hubert (Maciej Stuhr), die in Begleitung ihrer beiden minderjährigen Söhne sind, eheliche Ernüchterung und sexuelle Frustration. Als es nachts im Zelt der Kinder, in dem auch Davids etwa gleichaltriger Sohn schläft, zu einem verstörenden Übergriff kommt, der immer weitere Kreise zieht, spitzen sich die schwelenden Konflikte in den Beziehungen der Paare zu. Zwischen Selbstvorwürfen und der Schuldfrage fordert vor allem die sichtlich schockierte Maja, sich unangenehmen Wahrheiten zu stellen.
Die polnische Regisseurin Anna Kazejak verbindet diese ebenso schwierige wie spannungsreiche Aufklärung mit einem entlarvenden Blick auf die Geschlechterrollen und die emotionalen Zerrüttungen in langjährigen Beziehungen. In sorgsam komponierten, stimmungsvollen Bildern erzählt sie subtil und genau von verschwiegenen Verletzungen, die zu Brüchen führen und von einem überkommenen Rollenverständnis, das weibliche Sehnsüchte und Bedürfnisse noch immer unterdrückt. Dabei fühlt sich vor allem Maja in ihrer Mutterrolle gefangen; bis sie es schließlich doch wagt, einen Schritt in das unerschlossene Feld ihrer unerfüllten Träume zu unternehmen.