„Komm mit mir in das Cinema / Dort findet man, was einmal war: / Die Liebe!“, lauten die ersten Zeilen eines Gedichts von Else Lasker-Schüler, das Alice Agneskirchners umfangreichem Film über „Die Gregors“ den Titel gab. Denn die mittlerweile hochbetagten Filmvermittler und passionierten Kinomacher Ulrich (geb. 1932) und Erika (geb. 1934) Gregor, die heute über sechzig Jahre miteinander verheiratet sind, begegneten sich einst im Wintersemester 1957/58 währen einer Vorführung des Stummfilmklassikers „Menschen am Sonntag“ (1930) im Audimax der Freien Universität Berlin. Damals leitete Ulrich Gregor im Anschluss an die Projektion die Diskussion des Studentischen Filmclubs, bei der die angriffslustige Erika durch ihre kritischen Einwände eine Kontroverse auslöste. Die beiden kamen sich näher und verbrachten irgendwann später ihre erste gemeinsame Nacht damit, die Untertitel für Jean Renoirs Film „La bête humaine“ (1938) zu erstellen.
Etwa 100.000 gesehene Filme später blicken die beiden Gregors gemeinsam auf ein arbeitsreiches Leben, auf zahlreiche Begegnungen mit bedeutenden Filmschaffenden und auf die Filmgeschichte zurück, was wiederum eng verzahnt ist mit der filmkulturellen Entwicklung im Nachkriegsdeutschland und der politischen Geschichte Berlins. Die Nachwirkungen des Nationalsozialismus und die Teilung Deutschlands ziehen sich in vielen Aspekten wie ein roter Faden durch den Film und berühren an verschiedenen Stellen auch biographische Erfahrungen der beiden Portraitierten. Die sowjetischen Filme „Ein Menschenschicksal“ (1959) von Sergej Bondardschuk und „Der gewöhnliche Faschismus“ (1965) von Michail Romm stehen dafür ebenso nachdrücklich und exemplarisch wie später Konrad Wolfs „Der geteilte Himmel“ (1964) und Claude Lanzmanns „Shoah (1985)“. Den Mittelpunkt von Alice Agneskirchners zweieinhalbstündigem Film bildet allerdings die filmkulturelle und sehr bewegte Pionierarbeit der beiden Cineasten, die 1963 den Verein Freunde der deutschen Kinemathek gründen und in der Akademie der Künste regelmäßig Filme vorführen.
Neben der Vermittlung filmhistorischen Grundlagenwissens zielt die Arbeit der Gregors vor allem auf den künstlerischen Wert des Films jenseits kommerzieller Aspekte. Sie wollen „Filme zeigen, die aus innerer Überzeugung gemacht werden, nicht aus Profitinteressen.“ Die Inbetriebnahme des nichtgewerblichen Kinos Arsenal, das ab 1970 zum Vorbild für die Gründung kommunaler Kinos wird und das „Lebenszentrum“ der kämpferischen Filmarbeiter bildet, sowie die Gründung des Internationalen Forums des jungen Films als Sektion der Berlinale bilden weitere markante Stationen ihres Lebenswerkes. Kommentiert werden diese von ehemaligen Mitarbeitern und Weggefährten, aber auch von etlichen Filmemachern wie zum Beispiel Wim Wenders, Jim Jarmusch, Alexander Kluge und Edgar Reitz sowie den Regisseurinnen Doris Dörrie, Jutta Brückner und Helke Sander. In ihren Aussagen, die mit Archivmaterial verschränkt werden, aber auch durch die Gespräche, die von Erika und Ulrich Gregor im Kino vor laufenden Filmen geführt werden, erweisen sich die Portraitierten als „Schlüsselfiguren“ (Wenders) bei der Vermittlung des wertvollen künstlerischen Films.